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Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Titel: Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Marie Milton
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meisten Autos rauschten an ihr vorbei und guckten noch nicht mal. Manche zeigten einen Vogel oder schüttelten mit dem Kopf. Kimberley fühlte sich einsam, aber sehr mutig. Sie wurde immer lässiger, hörte mit dem blöden Gegrinse auf und steckte sich ein Kaugummi in den Mund. Endlich hielt ein Wagen an. Vor lauter Aufregung vergaß Kimberley total, sich das Kennzeichen zu merken. Noch nicht einmal die Automarke registrierte sie. Ein Mann ließ das Beifahrerfenster herunter und sagte ernsthaft: „Ich fahr nach Wandsbek.“
    Kimberley wusste nicht, wo Wandsbek ist. „Eigentlich wollte ich nach Hamburg. Kommen Sie daran vorbei? Wenn es keine Umstände macht, natürlich.“
    Der Typ, etwa in Papas Alter, aber nicht so attraktiv, sondern ein Spießer, verdrehte die Augen. „Wandsbek ist in Hamburg.“
    „Ach so, ja, dann würde ich gerne mitkommen. Darf ich?“
    „Sonst wäre ich wohl kaum angehalten. Ganz schön leichtsinnig übrigens. Also, steig ein, ich hab nicht viel Zeit.“
    „Danke!“
    Kimberley wollte hinten einsteigen, so wie im Taxi, aber der Mann sagte:
    „Nee, setz dich mal vorne neben mich. Hab keine Lust drauf, dass du hinten irgendwelchen Blödsinn anstellst und ich nichts sehen kann.“
    „Okay, ja. Ich nehm meinen Rucksack auch mit nach vorne, ist das in Ordnung?“
    „Von mir aus. So, setz dich hin.“
    Schnell huschte Kimberley auf den Beifahrersitz und wagte nicht, zur Seite zu gucken. Warum der Mann sie wohl mitnahm? Papa würde das nie machen. Sie schnallte sich an und konzentrierte sich auf Hamburg. Wenn sie erst einmal dort wäre, würde sich alles finden. Hoffentlich dauerte die Fahrt nicht so lange. Der Mann raste wie ein Irrer, immer auf der linken Spur. Er sagte kein Wort und fragte sie nichts. Lieber gar keinen Mucks von mir geben, dachte Kimberley. Dann vergisst er mich einfach und schmeißt mich irgendwann raus.
    Nach etwa einer halben Stunde Fahrt, drückte der Mann auf einen Knopf und die Zentralverriegelung schloss alle Türen mit einem Klick. Er sagte immer noch nichts. Panik kroch Kimberley den Hals hoch. Sie konnte kaum noch atmen, aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Es würde schon nichts passieren, sie waren ja mitten auf der Autobahn. Bestimmt war das nur eine alte Gewohnheit von ihm.
    Er guckte sie schnell von der Seite an, während er weiter über die Straße raste und den anderen Autos viel zu dicht auffuhr.
    „An deiner Stelle würde ich jetzt Angst bekommen.“
    Was sollte sie nur sagen? Zugeben, dass sie Angst hat – das wäre bestimmt dumm. Kimberley überlegte fieberhaft, doch er redete schon weiter.
    „Ein junges Mädchen stellt sich an die Straße, streckt den Daumen raus und steigt bei einem wildfremden Mann ein. Was meinst du, könnte dieser Mann mit dir anstellen?“
    Das war ihr Ende. Kimberley hatte einmal überlebt; ein zweites Mal würde sie nicht so viel Glück haben. Sie wünschte sich, dass er sie gleich umbrachte oder dass sie ohnmächtig werden würde.
    „Es tut mir leid“, flüsterte sie und räusperte sich. „Können Sie mich bitte rauslassen?“
    „Hier mitten auf der Autobahn? Bist du bescheuert?“ Er lachte böse. Dabei sah er noch fieser aus als vorher! Kimberley wagte einen verstohlenen Blick zur Seite; die lange Nase und die gelben Fingernägel entfalteten erst jetzt so richtig ihr Gruselpotential.
    „Nein, ich meinte bei der nächsten Raststätte oder so. Ich muss mal dringend.“
    Wieder lachte er auf. Kalt, zynisch und gemein.
    „Wir fahren bis nach Hamburg, das wolltest du doch. Mannmannmann. Du hast echt Nerven.“
    Sie glaubte, dass ihr Herz stehen bleiben würde, doch nichts geschah. Er fuhr einfach weiter und schwieg. Die Türen ließ er verriegelt. Was sollte sie nur tun? Sie könnte nach dem Handy greifen und heimlich eine SMS an die Polizei schicken. Aber sie traute sich nicht, sich zu bewegen und den Typen damit womöglich zu reizen. Außerdem kannte sie noch nicht einmal das Kennzeichen des Wagens. Was gäbe sie dafür, jetzt zu Hause im gemütlichen Bett zu liegen und fernzusehen. Tapfer hielt sie die Tränen zurück, versuchte, jeden Gedanken abzuschalten. Endlich erreichten sie den Containerhafen. Den kannte Kimberley – jetzt war es nicht mehr weit.
    „Wie heißt du eigentlich?“, fragte der Mann in die Stille hinein.
    „Julia“, log Kimberley. Das hatte sie sich schon vorher überlegt. Sie wollte während ihrer Ausreißerzeit niemandem ihren richtigen Namen verraten, sonst würde man sie

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