Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
ihr Papa hier ist, wenn sie zurückkommt.“
„ Wenn sie zurückkommt…“
„Weswegen rufst du an?“, fragte Hanna hart und abweisend. Elaines ruppige Art brachte sie immer wieder aus der Fassung.
„Ich wollte dir was erzählen, aber ist egal. Hat nichts mit Kimberley zu tun.“
„Was soll das denn heißen? Entschuldige bitte, dass ich derzeit an nichts anderes als an mein Kind denken kann! Ich glaub’s ja wohl nicht, hast du eigentlich auch manchmal Gefühle?“
„Aber sicher, deswegen rufe ich ja an. Ich habe ein Date, das wollte ich erzählen.“
„Schön für dich“, schnappte Hanna. „Wieder so ein Internetfuzzi?“
„Ja. Ich treff ihn übermorgen in Hamburg. Er ist erst 30 und ich glaube stinkreich. Ist das nicht geil?“
Hanna konnte es nicht fassen. Elaine war dabei, ihr Haus zu verlieren, nachdem sie bereits ihre komplette Familie verloren hatte. Und sie traf sich in aller Seelenruhe mit irgendeinem Spinner, nachdem sie neulich erst von einem anderen Typen verarscht geworden war!
„Du, ich hab für solche Sachen jetzt echt keinen Kopf. Viel Spaß und pass auf dich auf. Verstehen kann ich das alles nicht, aber muss ich ja auch nicht. Ich will die Leitung freihalten, falls sich was wegen Kimmy tut. Tschüss, Elaine. Ich meld mich.“
Ohne den Gruß ihrer Nachbarin abzuwarten, beendete Hanna das Telefonat. Erschöpft und verzweifelt ließ sie sich aufs Sofa fallen und wunderte sich, dass sie immer noch Tränen hatte. Die Angst um ihre Tochter ließ sie nicht eine Sekunde los und sie vergaß Elaines Abenteuer auf der Stelle.
Elaine gab sich indes ihrer nächsten Lieblingsbeschäftigung hin: Leonard von Linden im Internet stalken. Es bestand langsam aber sicher kein Zweifel mehr – seine Eltern waren Millionäre. Er selbst hatte in England und Neuseeland studiert und machte nun irgendwas mit Medien. Ganz schlau wurde Elaine nicht aus seinem Beruf, aber eigentlich war es ihr auch egal. Ihr war nur wichtig, dass sie eine Demütigung wie mit Laszlo nicht wieder erleben musste. Wie es sich wohl anfühlen würde, mit einem jungen Mann zu flirten. Virtuell ging das leicht, aber ob es real auch so einfach wäre, darüber machte Elaine sich schon etwas Sorgen.
Als der große Tag endlich gekommen war, bemühte Elaine sich um ein cooles, aber nicht zu aufgesetzt jugendliches Outfit. Das Wetter war sommerlich warm und sie würden vermutlich viel herumlaufen. Leggins, kurzer Jeansrock und enge weiß-blau-gestreifte Bluse zu hellen Ballerinas – sie war zufrieden mit ihrem Spiegelbild. Da Leo einmal erwähnt hatte, dass er Lippenstift ekelhaft fände, verzichtete sie auf ein grelles Make-up und schminkte sich dezent und natürlich.
Sie erkannte ihn sofort. Kaum, dass sie aus dem Zug stieg, überragte er mit seinen knapp zwei Metern die meisten Leute und lächelte sie freundlich an. Verdammt, er sah wirklich sehr jung aus! Elaine versuchte einen Witz, aber Leo ging nicht darauf ein. Er wirkte lässig und seltsam ernsthaft.
„Schön, dass du da bist. Dann zeig ich dir mal Hamburg und seine Tierwelt. Komm schnell, ich parke im absoluten Halteverbot. Ähm, hast du nicht mehr Gepäck mit?“
„Nein, wieso? Ist doch warm heute, ich bin kein dauerfrierendes Frauchen.“
„Okay. Ich dachte, du bleibst über Nacht.“
Er sagte das nicht beleidigt oder enttäuscht, sondern klang komisch neutral. Elaine musterte ihren jungen Begleiter von der Seite, als sie die Bahnhofshalle verließen. Leo war nicht überragend attraktiv, sondern sah herrlich durchschnittlich aus. Doch von ihm ging die typische Selbstsicherheit eines reichen Menschen aus. So etwas konnte man sich nicht antrainieren – mit dieser Eigenschaft wurde man geboren. Elaine stellte erstaunt fest, dass sie von Leos Vermögen fasziniert war. Dabei wusste sie offiziell noch gar nichts davon. Mal sehen, wann er es ihr erzählte.
Sie fühlte sich wohl neben ihm, sehr wohl sogar. Er machte keinerlei Annährungsversuche, aber war aufmerksam und interessiert. Mit jeder Sekunde verliebte Elaine sich mehr in ihn. Das Beste an ihm war, dass er kein Dampfplauderer war. Sie konnte sich den Zoo anschauen, ohne dem Geplapper eines Eindruck schindenden Mannes lauschen zu müssen. Die meisten Männer hörten sich schrecklich gerne reden. Leo hingegen hielt sich zurück. Elaine konnte ihr Glück kaum fassen, wenn er sie sanft lächelnd von der Seite musterte. Sie gefiel ihm, das war nicht zu übersehen.
Gegen Abend fuhren sie zu ihm. Sie war gespannt auf
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