Das Keltenkreuz
betreten, können Sie es gar nicht übersehen. In seiner Größe zieht es sofort den Blick des Betrachters auf sich. Es ist das St. Martin’s Cross, mit Ornamenten reich verziert, und es stammt aus dem zwölften Jahrhundert. Es hat sogar die Wirren der Reformation überstanden. Für mich, der ich die Romantik liebe, ist dieses Kreuz die Erfüllung meines Lebens. Ich will es bei mir haben und es hegen und pflegen.«
»Ist das nicht zu egoistisch gedacht?« erkundigte ich mich vorsichtig.
Da hatte ich Cameron auf den Fuß getreten. Fast wäre er aus seinem Sessel gehüpft. Er riß sich im letzten Moment zusammen und umklammerte die mit Leder bestückten Lehnen hart. »Egoistisch? Nein, Mr. Sinclair, das ist nicht egoistisch.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf mich. »Waren Sie schon mal auf Iona?«
»Leider nicht.«
»Gut, das dachte ich mir. Nur deshalb konnten Sie auch so fragen. Wenn Sie die Insel betreten und die zahlreichen Touristen sehen, die sich dort herumtreiben, das Kreuz bestaunen, es mit ihren widerlichen und fettigen Händen anfassen, dann ist das eine verdammte Schande!«
Er schlug mit der Faust auf die Lehne, um seine Worte zu unterstreichen. »Ja, es ist eine Schande, und als Schotte muß man sich eigentlich schämen, daß so etwas zugelassen wird. Ich hasse es, die Menschen zu sehen. In unserer Zeit kriegen sie alles kaputt. Sie sind von einer regelrechten Zerstörungswut befallen. Sie trampeln die Natur kaputt. Die alten Denkmäler werden durch ihre Berührungen zerstört, und auch für das Keltenkreuz ist es höchste Eisenbahn, von der Insel wegzukommen. Ich habe es für meinen Park bestimmt, denn hier wird es die Pflege erhalten, die es verdient. So sehe ich es.«
»Dann haben Sie es von der Insel wegschaffen wollen?« fragte ich ihn, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte.
»Ja.«
»Geht das denn so leicht?«
»Nein, natürlich nicht. Es hat mich einen jahrelangen Kampf mit den Behörden gekostet. Schließlich hat sich der Name Cameron durchgesetzt. Ich habe mich auch verpflichtet, das alte Kreuz wie ein Heiligtum zu behandeln, und das akzeptieren die Mitarbeiter in den Behörden schließlich. Ich bekam die schriftliche Erlaubnis, das Kreuz von der Insel holen zu können.«
»Was bestimmt nicht einfach sein wird. Es steht schon so lange da. Sie werden es ausgraben müssen.«
»Kein Problem, Sinclair. Ich habe mich kundig gemacht. Es gibt da die entsprechenden Geräte, Bagger, Schaufeln und so weiter.«
»Haben Sie es schon versucht?«
»Richtig.«
»Und wie?«
»Ich habe eine Crew von Fachleuten zusammengestellt und sie auf die Insel geschickt…« Seine Worte waren immer leiser geworden. Zum Schluß hatte ich Mühe gehabt, ihn zu verstehen, aber ich wußte, daß es jetzt interessant wurde.
»Was passierte dann?«
Er hob die Schultern.
»Was war mit Ihrer Crew, Mr. Cameron? Sie müssen schon ehrlich sein, wenn ich Ihnen helfen soll.«
»Verdammt noch mal, sie verschwand!« keuchte er. Er stierte mich dabei an. Die Augen wollten ihm aus den Höhlen treten. »Ja, sie verschwanden, die Männer, die waren weg.«
»Bis auf einen, nicht?«
Er pustete die Luft aus. »Woher wissen Sie das?«
»Es liegt auf der Hand, und ich weiß auch, daß dieser eine Curly Brown heißt.«
»Stimmt genau. Er kehrte zurück. Er kam in mein Haus. Er war verändert. Ich hört ihn in der Nacht nach seiner Ankunft schreien und nach irgendwelchen Teufeln rufen. Er war mir unheimlich. Vier meiner Waldarbeiter und ich haben ihn schließlich überwältigt und in das Gewölbe geschleift, wo wir ihn anketten mußten, weil er ausrastete und keinen Menschen an sich heranlassen wollte.«
»Dann haben Sie nicht mit ihm gesprochen und erfahren, was ihm widerfuhr?«
Cameron schüttelte den Kopf. »Ich habe es versucht. Nicht nur einmal, wie Sie sich denken können, aber es ist nichts dabei herausgekommen. Er zeigte sich verstockt.«
»Kannten Sie den Ausdruck in seinen Augen?«
Duncan schwieg. Er knetete seine Hände und trank dann sein Glas leer.
Leckte noch Tropfen von seinen Lippen. Er war nervös geworden, bis er schließlich nickte.
»Also wußten Sie Bescheid?« hakte ich noch einmal nach.
»Ja, ich habe ihn schon gesehen«, gab er zu. Seine Stimme war jetzt leiser geworden. »Dieser Ausdruck war auch der Grund, weshalb ich mich an Sir James Powell gewandt habe. Durch meine Beziehungen habe ich von ihm erfahren und ihn deshalb um Hilfe gebeten. Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte.«
»Klar,
Weitere Kostenlose Bücher