Das Kettenlädenmassaker
und Pooley zuckte und stöhnte.
»Du bist ziemlich schlimm zugerichtet«, sagte Omally. »Und du hast noch ein blaues Auge mehr. Irgendwelche Knochen gebrochen?«
»Die meisten, wenn nicht alle.«
»Waren wohl ziemlich kräftige Kerle?«
»Sehr kräftig.«
»Dann müssen wir von hier verschwinden. Meine Wohnung ist keine Festung.«
»Aber wohin sollen wir bloß gehen? Aua! Autsch!«
»Entschuldige, Jim. Ich weiß nicht, wohin. Irgendwohin, wo wir sicher sind. Wo die Polizei nicht nach uns suchen kommt.«
Jim blickte zu John, und John blickte zu Jim.
»Professor Slocombe!« sagten beide gleichzeitig.
Daß sowohl Jim als auch John ohne eine Sekunde zu zögern den gleichen Namen nannten, mag jedem seltsam erscheinen, der nicht innerhalb der geweihten Grenzen des Brentford-Dreiecks aufgewachsen ist. Doch für all diejenigen, die innerhalb dieser weltberühmten geomantischen Konfiguration leben (die von der Great West Road, dem Grand-Union-Kanal und der Themse begrenzt wird), hätte es gar keine andere Wahl gegeben. 8
John und Jim kannten den Professor viele Jahre länger als einander. Er war Brentfords Patriarch, exotisch, geheimnisvoll und doch ein ganz wesentlicher Bestandteil der Gemeinde.
Früher einmal, vor langer, langer Zeit, da hatte Professor Slocombe …
KLOPF, KLOPF, KLOPF, erklang ein schreckliches Klopfen an Omallys Tür.
»Aaaaaargh! Sie sind da!« Jim kämpfte sich auf die Beine. Seine Hände flatterten wie Flügel, und er drehte sich in kleinen Kreisen um sich selbst — eine Angewohnheit, die sich in Augenblicken extremer mentaler Qualen immer wieder Bahn brach.
»Hör sofort auf damit!« befahl John und unterbrach Pooleys Kreiseln, indem er seinen Kopf in den Schwitzkasten nahm. »Wir verschwinden durch den Hinterausgang.«
»Ich kann nicht, John. Ich bin nicht fit genug.«
»Reiß dich zusammen, Kerl!«
»Reiß dich zusammen? Reiß dich zusammen? Sieh doch, wie ich aussehe!«
KLOPF, KLOPF, KLOPF, ertönte das Klopfen von neuem.
»Lauf, John! Rette dich! Laß mich hier zurück.«
»Wir gehen zusammen. Du mußt nicht rennen.«
»Nein?«
Omally stieß Pooley durch die Küchentür und in den winzigen unaufgeräumten Hinterhof. Das Mondlicht enthüllte alles. An der Wand unter dem Küchenfenster, eingehüllt von einer Persenning, die Omally von dem Alten Pete ausgeliehen hatte, stand etwas.
»Sieh her, die Maschine unserer Erlösung«, bühnenflüsterte John und zog die Persenning beiseite, um …
»Nicht Marchant! «stöhnte Jim.
Doch es war Marchant.
Und Marchant war ein Fahrrad.
Wer den legendären Flann O’Brien gelesen hat, der weiß alles über Fahrräder. Flanns Theorie zufolge, besaß in Irland, in den Zeiten, da er dort geschrieben hat, fast jeder ein Fahrrad. Und das ununterbrochene Rattern und Klappern über unebene Straßen hatte im Verlauf langer Jahre dazu geführt, daß gewisse Atome Fahrrad und gewisse Atome Mensch sich miteinander verbunden hatten, bis der Mensch schließlich ein Stück Fahrrad und das Fahrrad ein Stück Mensch geworden war. O’Brien führte den extremen Fall eines Polizeibeamten an, der so sehr Fahrrad war, daß er sich immer irgendwo anlehnen mußte, sobald er stehenblieb, weil er sonst umgefallen wäre.
Das traf bei Omally zwar nicht zu, trotzdem existierte zwischen ihm und Marchant ein Verhältnis, das eine beinahe spirituelle Qualität besaß.
Beinahe.
»Los, auf den Lenker, Jim«, sagte John. »Wir gehen flitzen.«
»Aber Marchant kann nicht flitzen!«
»Nur so eine Redensart.«
John half Jim auf den Lenker, bezog selbst den Platz auf dem gefederten Sattel, setzte einen Fuß in den Sattel, und alle drei kippten seitwärts.
»O nein, das wirst du nicht tun!« John streckte den Fuß aus, um das Kippen aufzuhalten. »Komm schon, Marchant! Das ist ein Notfall! Mein bester Freund Jim ist verletzt, und das gleiche droht dir auch, wenn du uns nicht helfen willst.«
»Wenn die Polizei mich nicht umbringt, dann bestimmt dieses Fahrrad«, stöhnte Jim.
»Wenn du dich benimmst, darfst du morgen den ganzen Nachmittag in den Fahrradschuppen hinter der Höheren Mädchenschule.«
»Wie kannst du es wagen …!«
»Ich hab’ mit meinem Fahrrad geredet.«
KLOPF, KLOPF, KLOPF, ertönten die Geräusche weiteren Klopfens, gefolgt von einem davon höchst verschiedenen KRACH!
»Hüa, Marchant.«
Heraus aus dem Hinterhof und durch die schmale Gasse ging es, während Omally nach Kräften in die Pedale trat und Jim sich verzweifelt an seiner
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