Das Kettenlädenmassaker
Gemeinde sich regten.
Omally hatte kein Auge zugemacht. Während Pooley in einem der Gästezimmer des Professors vor sich hin geschnarcht und leise Selbstgespräche geführt hatte, war Omally in einem weiteren Zimmer ruhelos auf und ab gewandert. Bevor nicht das Buch bei Mrs. Bryant abgeholt und der Polizei ausgehändigt worden war, konnten weder er noch Jim beruhigt in ihre Wohnungen zurückkehren noch mit ihrer Suche anfangen. Aber was war mit Jack Bryant? Was war mit ihm geschehen? Omally erschauerte bei der Erinnerung an diesen unheimlich verschrumpelten Leichnam. Er hatte ausgesehen, als wäre jeder Tropfen Blut aus ihm herausgesaugt worden. Und wer oder was konnte so etwas mit einem Menschen anstellen? Ein Vampir? Ein Vampir in Brentford? Das war sicherlich nackter Unsinn. Wirklich? Und was, wenn er zurückkam, um Mrs. Bryant auch noch auszusaugen?
Dann war da Marchant. Der arme, arme Marchant. Die zuverlässige, treue eiserne Stute, die John mehr Jahre gedient hatte, als er sich erinnern konnte. Marchant würde aus dem Kanal geborgen und mit liebevoller Hand restauriert werden müssen. Was Geld erforderte, und John hatte kein Geld. Außer natürlich, er entdeckte die Brentforder Schriftrollen.
Omallys Gedanken wanderten im Kreis wie ein unheiliges Mandala. Oder vielleicht eher wie ein furchtbarer schwarzer Mahlstrom, der mehr und mehr von ihm verschlang. Die Todesumstände von Mister Compton-Cummings erschienen im Licht der jüngsten Ereignisse mehr als fragwürdig. Neuerdings schienen die Menschen in dieser Gegend zu sterben wie die Fliegen.
Bei Anbruch der goldenen Morgendämmerung hatte John einen Plan gefaßt. Er würde so bald wie möglich zu Mrs. Bryant gehen, ihr an Trost spenden, was in seiner Macht stand und Jims Buch wieder an sich nehmen. Dann würde er das Buch zu Professor Slocombe bringen. Sobald die Angelegenheit mit der Polizei bereinigt war, konnte er zum Kanal und seinen Marchant aus dem Wasser ziehen.
Und dann — mit oder ohne Jims Unterstützung — würde er sich auf die Suche nach den Brentforder Schriftrollen machen.
Und sobald Mittag war und er fertig, konnte er in den Fliegenden Schwan und das eine oder andere Pint zu sich nehmen.
Omally hinterließ eine Notiz für Professor Slocombe, in der er ihm für das nächtliche Asyl dankte und versprach, zum Frühstück mit dem Buch wieder zurück zu sein, dann machte er sich auf den Weg durch Brentford und zur Haltestelle der Linie fünfundsechzig.
Vor dem Haus von Mrs. Bryant standen keinerlei Polizeifahrzeuge. Warum auch? Die Wahrscheinlichkeit war hoch, daß die Dame nicht einmal zu Hause war. Sie würde die Nacht bei einem Verwandten verbracht haben, oder vielleicht lag sie auch unter starken Beruhigungsmitteln im Krankenhaus.
John ging um das Haus herum und klopfte leise an die Küchentür. Keine Antwort. Sollte er das Schloß aufbrechen? Omally, ein Bursche, der von Natur aus eigentlich nie unentschlossen schwankte, schwankte unentschlossen. Vielleicht war es besser, wenn er später noch einmal zurückkam? Nein. Er war jetzt hier, und er würde das Buch jetzt holen.
John drückte die Klinke herunter und gab der Tür einen sanften Stoß.
Sie öffnete sich vor ihm.
Magie.
John schlüpfte hinein, schloß die Tür hinter sich und trat zielstrebig an den nachgemachten altertümlichen Tisch. Jims Buch lag nicht darauf.
»Verdammt!« sagte John.
»Iiiiiiik!« kreischte Mrs. Bryant, die in diesem Augenblick die Küche betreten hatte.
»Oh, tut mir leid«, sagte John und streckte rasch die Arme aus, um die ohnmächtig Gewordene aufzufangen. Er half ihr auf einen Küchenstuhl und schenkte ihr ein Glas Wasser aus.
»Ich dachte, du wärst ein Einbrecher, John.«
»Es tut mir wirklich sehr leid. Ich wollte sehen, ob ich vielleicht etwas tun kann, um dir zu helfen. Hier, trink das.«
»Danke, John. Mir fehlt nichts. Es war ein entsetzlicher Schock, mehr nicht.«
»Das kann man wohl sagen.«
»Man muß die gute Seite sehen.«
»Ja, ich bin sicher, du hast recht.«
»Er hätte so von mir gehen wollen.«
»Wie?«
»Wie der King.«
»Der wer?«
»Der King.«
»Tut mir leid«, sagte John schon wieder, »aber ich glaube, ich kann dir nicht folgen.«
»Der King«, sagte Mrs. Bryant zum dritten Mal. »Elvis. Jack ist gestorben wie Elvis.«
»Oh. Ja. Ich verstehe. Vermutlich hast du recht. Woran ist er denn nun gestorben, das heißt, falls es dir nichts ausmacht, die Frage zu beantworten.«
»An massiver Hämorrhagie. Er hat
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