Das Kind, das deinen Namen traegt
den Kopf. "Nein, heute bitte nicht." Ich habe mich gerade von dir verabschiedet, Michael, auf die schönste Art, die ich mir vorstellen konnte, dachte sie traurig.
"Du hast hier noch viel Arbeit zu erledigen, bevor du gehen kannst." Um ihre Abweisung nicht so hart zu machen, lächelte sie Michael an und strich ihm dabei sanft durchs Haar.
"Denk an deine Mutter!" mahnte sie scherzend. "Sie wird dir die Leviten lesen, wenn du fix und fertig bei ihr auftauchst."
Michael ging jedoch auf ihren Scherz nicht ein. "Ich komme mit dir nach Hause", wiederholte er beharrlich.
"Nein." Claudia richtete sich auf und warf das lange seidige Haar schwungvoll nach hinten.
Schließlich stand sie seufzend auf und lächelte Michael an.
Nachdenklich runzelte er die Stirn. Irgend etwas hatte sich bei Claudia verändert. Sogar ihr Aussehen, ihre Ausstrahlung waren anders als sonst. Nur warum, das konnte er sich nicht erklären.
"Du hast deine Kleider ja schon wieder überall herumgeworfen", schalt Claud ia ihn im Spaß.
Michael verzog das Gesicht. Im Augenblick war ihm ganz und gar nicht zum Scherzen zumute. Claudia lief ihm davon. Wie sie ihn vorhin so eigenartig angeschaut und angelächelt hatte, gab ihm zu denken. Kein Zweifel: Sie zog sich aus der Bezie hung zurück.
Schließlich stand er auf und kleidete sich an. Nachdem Claudia ihm eine Zeitlang schweigend zugeschaut hatte, streifte sie sich ebenfalls die Kleider über.
Dann ging Michael zurück an seinen Schreibtisch und machte sich an die Arbeit. Er hatte sich wieder in den coolen Geschäftsmann verwandelt.
"Wenn es dir recht ist, gehe ich jetzt", sagte Claudia ruhig.
Michael warf ihr nur einen kurzen Blick zu. "Dazu habe ich ja wohl nichts zu sagen", entgegnete er mit einer solchen Kälte, dass Claudia erschrak. Dann wies er zur Tür. "Nun geh doch endlich... geh!"
Damit war alles vorbei. Zögernd blieb Claudia an der Tür stehen und sah Michael zum letztenmal schmerzerfüllt an.
"Hast du dir's vielleicht anders überlegt?"
"Nein... nein, ich habe es mir nicht anders überlegt", antwortete sie leise. "Gute Nacht, Michael."
Ob er noch irgend etwas sagte, sie wusste es nicht. Ja, dachte sie niedergeschlagen, jetzt ist es endgültig aus.
Langsam trat Claudia aus der Bahnhofsstation und hielt Ausschau nach James Laverne, dem zweiten Mann ihrer Mutter. Sie hatte Amy angerufen und sich für, das Wochenende bei ihr eingeladen. Joe hatte sie an ihrem letzten Arbeitstag früher nach Hause gehen lassen. Es war ein trauriger Abschied gewesen, denn nur er und Mandy wussten von Claudias Kündigung.
Ihren nächsten Job musste sie am Montag der folgenden Woche antreten, also hatte sie noch eine ganze Woche Zeit, sich mit den Veränderungen in ihrem Leben anzufreunden. Michael gehörte schon der Vergangenheit an.
Damit musste sie sich jetzt abfinden, auch wenn der Schmerz manchmal nahezu unerträglich war.
Amy hatte sich sehr gefreut, als sie hörte, dass Claudia ein paar Tage bleiben wollte. "Oh, das ist wunderbar, mein Schatz!" hatte sie gesagt. "Dann habe ich endlich Gelegenheit, dir meine Neuigkeiten zu erzählen. Genauer gesagt, sind es zwei Überraschungen. Beide sind erfreulich."
Und ich habe eine weniger erfreuliche Überraschung für dich, hatte Claudia verbittert gedacht.
"Claudia!"
Sie war nicht die einzige Frau, deren Blick im nä chsten Moment auf den hochgewachsenen eleganten Mann fiel, der mit langen Schritten auf sie zukam: James Laverne.
Sie stellte ihren Koffer auf dem Boden ab und lächelte ihrem , Stiefvater zu. "Wie es meine Mutter fertiggebracht hat, dich zu kriegen, werde ich nie verstehen, James Laverne", rief sie scherzend.
James umarmte sie stürmisch. "Du weißt so gut wie ich, mein Fräulein, wer der Glücklichere von uns beiden war, also mach jetzt keine Witze mehr!" Lächelnd betrachtete er Claudias blasses Gesicht und me rkte sofort, dass sie verändert war, seit er sie das letztemal gesehen hatte.
Er führte sie zu seinem Auto, verstaute ihren Koffer im Kofferraum seines luxuriösen Rolls-Royce und machte sich mit ihr auf den Heimweg.
"Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie siehst du schlecht aus", bemerkte James unverblümt, als sie sich in den fließenden Verkehr einfädelten. Er sah Claudia kurz an und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. "Du weißt, ich hätte dich gleich von der Arbeit abgeholt. Dann hättest du nicht mit dem Zug zu fahren brauchen. Warum siehst du eigentlich so elend aus?" fragte er ernst. "Amy
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