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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Kredit auf, wenn’s sein muss.«
    Leo nickte bedächtig. »Und deine Mutter? Was meint die?«
    Der Junge zuckte bloß mit den Achseln.
    Leo zögerte. »Und du? Was ist mit dir?«
    Daniel sah zu Boden. »Na ja, Sie sind ja schließlich hier.«
    Beinahe hätte Leo gelächelt. Er drückte auf die Verschlüsse, die sich klickend öffneten. »Dann wollen wir mal, okay?« Er nahm Notizblock und Stift heraus und legte beides neben sich aufs Bett. Als er die Tasche gerade wieder zumachen wollte, fiel ihm noch etwas ein. »Ich hab dir was mitgebracht.« Er wühlte unter dem Papierkram herum. »Hier«, sagte er und reichte dem Jungen eine kleine Box, nicht viel größer als eine Seifenschachtel. Darin war ein Subaru Impreza, offenbar exakt maßstabsgetreu und viel zu teuer für ein Kinderspielzeug, was es ja im Grunde war. »In Weiß gab es ihn leider nicht mehr. Nur noch als Rallye-Version.«
    Argwöhnisch betrachtete Daniel erst das Auto und dann Leo und seinen ausgestreckten Arm.
    »Das ist okay. Ich habe ihn vorn an der Rezeption vorgezeigt. Nimm ihn, er gehört dir.«
    »Wofür?«
    »Du magst doch Autos, oder nicht? Ich dachte, du freust dich vielleicht darüber, das ist alles.«
    »Was muss ich dafür machen? Ich mache nichts dafür.«
    Leo fehlten für einen Moment die Worte. Er sah den Wärter vor der Tür an, der den Wortwechsel mit ausdrucksloser Miene verfolgte.
    »Das ist für dich, Daniel. Ein Geschenk. Einfach so, du brauchst nichts dafür zu tun.«
    Der Junge knabberte eine Weile an seinem Daumennagel. Dann streckte er plötzlich die Hand aus und riss Leo den Wagen förmlich aus der Hand. Hastig öffnete er die Schachtel und hielt sich das Spielzeug vor die Nase. Er drehte es hin und her und besah es sich von allen Seiten.
    Leo wartete. Er wollte seine Aktentasche schließen.
    »Danke.«
    Leo hob den Kopf. Daniel sah alles andere als dankbar aus. Eher misstrauisch, skeptisch.
    Doch Leo lächelte. »Gern geschehen.«

    »Wir können nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen.«
    »Tu ich ja gar nicht.«
    »Das macht es nicht ungeschehen, Daniel. Wir müssen darüber reden.«
    »Ich will aber nicht darüber reden.«
    Der Junge ließ das Auto auf seinem Oberschenkel auf und ab fahren. Leo freute sich zwar, dass sein Geschenk offenbar gut ankam, wünschte aber allmählich, er hätte es Daniel erst gegen Ende der Sitzung gegeben. Auch wenn das vielleicht nichts geändert hätte. Der Junge suchte irgendeine Ablenkung, und das Auto kam da einfach sehr gelegen.
    »Sieh mal, Daniel …«
    »Sagen Sie es denen doch einfach. Geht das nicht? Hat er doch auch gesagt. Sagen Sie denen, dass ich es war und dass es mir leidtut.«
    »Das werde ich. Genau das sagen wir. Aber es gibt verschiedene Arten, wie man es sagen kann. Wie wir es erklären. Ich verlange nichts weiter von dir, als dass du mir entscheiden hilfst, wie.«
    »Ich? Wie soll ich denn dabei helfen? Müssen Sie das nicht wissen?« Daniel legte das Auto aufs Dach und drehte nervös an einem der Räder.
    »Gut. Dann entscheide ich jetzt, dass wir eine Psy…«
    »Nein!«
    Leo zuckte zurück. Garrie hob das Kinn, und Leo sah ihn an und gab ihm unauffällig ein Zeichen, draußen zu bleiben.
    »Du brauchst nur mit ihr zu reden, Daniel. Das wäre ein Anfang. Ich kenne da eine sehr nette Frau. Du würdest sie ganz sicher mögen.«
    Diesmal sagte Daniel nichts. Leo beugte sich ein Stück vor.
    »Es hätte auch nichts zu bedeuten. Nicht, solange wir das nicht gemeinsam beschließen. Es müsste noch nicht einmal jemand was davon erfahren. Ganz ehrlich, Daniel, ich glaube …«
    »Nein, habe ich …«
    Daniel stand auf. Leo ebenfalls. Garrie betrat den Raum, und für einen Augenblick waren die drei wie Cowboys, die warteten, wer als Erster die Pistole zog.
    Leo setzte sich aufs Bett.
    »Alles in Ordnung, Garrie. Wirklich. Wir kommen schon zurecht, nicht wahr, Daniel?«
    Neben dem Jungen war der Wärter ein wahrer Koloss. Daniel wog kaum mehr als einer seiner Arme. Aber Daniel wirkte trotzdem kein bisschen ängstlich. Angesichts einer Konfrontation, die er unmöglich gewinnen, aber wenigstens begreifen konnte, zuckte er nicht einmal mit der Wimper. Doch das wie auch immer geartete Gefühl, das ihn aufrecht hielt, schien plötzlich nachzulassen, und er sah hinab auf sein Spielzeugauto. Er setzte sich. Leo tat beschäftigt, bis Garrie sich zurückzog – nicht ganz bis in den Flur diesmal, aber immerhin aus Daniels Blickfeld. Leo schlug seinen Notizblock zu, steckte ihn

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