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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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mit Ihnen reden wollen. Und Fotos von Ihnen machen. Und von allen anderen natürlich auch. Sie sollen ja nicht den ganzen Ruhm allein einheimsen.« Howard zwinkerte ihm zu, und Jenny kicherte. Terry fand diesen Witz offenbar nicht lustig, wie seine Miene verriet.
    »Verstehe«, sagte Leo.
    Howard streckte einen Finger aus. »Es ist nur die Gazette, das ist mir klar, aber Sie wissen ja, was für eine Dynamik solche Sachen entwickeln können. Es wäre eine einzigartige Chance für unsere Kanzlei, Leonard. Und für Sie natürlich auch. Ein Zeitungsausschnitt für den Lebenslauf.«
    Terry war ganz Ohr. »Pass auf, Leo. Es ist kein gutes Zeichen, wenn dein Chef von deinem Lebenslauf anfängt.«
    Allgemeines Gelächter. Leo ignorierte es. »Das klingt wirklich gut, Howard. Wirklich. Allerdings sollte ich vorher wohl besser mit Meg sprechen. Es ist zwar nur die Gazette, wie Sie schon sagen, aber dieser Fall … Wir … Also, es gab gewisse Spannungen …«
    »Besprechen Sie es mit Megan«, sagte Howard. »Auf jeden Fall. Aber es wäre wirklich zu schade, diese Chance sausen zu lassen.« Sein Chef sah plötzlich aus wie ein Kind, das gerade erfahren hat, dass Weihnachten ausfällt.
    »Nein, natürlich nicht. Ich wollte damit nicht sagen, dass sie etwas dagegen haben wird. Ganz und gar nicht. Wahrscheinlich eher im Gegenteil.«
    »Na dann«, sagte Howard und zeigte noch einmal seine Elfenbeinzähne. »Dann sind wir uns also einig? Zumindest vorläufig.«
    »Vorläufig, ja. Okay.«
    »Sie kommen Donnerstag in einer Woche«, sagte Howard. »Um zehn.« Und damit ging er zum nächsten Tagesordnungspunkt über.

    »Das habe ich nicht gesagt, Terry.«
    »Genau das habe ich aber gehört. Das haben alle …«, Terry wandte sich nach rechts und links, »… alle hier in diesem Raum gehört.«
    Leo blickte in die Gesichter, die ihn ansahen. Stimmt, schienen sie zu sagen: Genau das haben wir gehört.
    »Gut, aber so war das nicht gemeint. Ich meinte, dass …«
    »Du weißt aber schon noch, was er getan hat, oder? Dieser ›Junge‹.« Man hörte förmlich, wie er das Wort in Anführungszeichen setzte. »Dieses ›Kind‹, von dem du dauernd redest?«
    »Ich wollte damit nur sagen …«
    »Für mich klingt es nämlich manchmal, als hättest du das schon vergessen. Als wäre dir irgendwie gar nicht mehr klar …«
    »Ich wollte damit nur sagen«, setzte Leo noch einmal an, so laut, dass alle verstummten. »Dass es noch andere Gesichtspunkte gibt. Er ist zwölf. Das macht die Sache nicht einfacher.«
    Terry schnaubte.
    »Tut mir leid, Terry, aber so ist es nun mal. Wir haben verschiedene Möglichkeiten. Wir können unterschiedliche Prioritäten setzen. Und wir haben auch verschiedene Probleme«, fügte Leo etwas leiser hinzu.
    »Wir?«
    »Ja, Terry: wir. Ich bin sein Pflichtverteidiger, wie du weißt.«
    »Genau. Sein Pflichtverteidiger. Weil es nämlich für mich so klingt, als würdest du dich selbst schon als viel mehr betrachten.«
    Leo spürte, wie er sich versteifte. »Was soll denn das bitte heißen?«
    »Meine Herren«, sagte Howard und streckte beide Hände in Richtung Tischmitte. »Bemühen wir uns doch, das Ganze zivilisiert ablaufen zu lassen. Es ist immerhin eine Dame im Raum, oder haben Sie das schon vergessen?«
    Jenny sah zu Boden.
    Leo ließ nicht locker. »Und außerdem«, begann er erneut, in der Hand den Stoß Briefe, deren Umschläge in seinem Griff zerknitterten. »Was ist denn so verurteilenswert daran, wenn man Mitleid mit ihm hat? Das bedeutet doch nicht, dass ich ihm seine Tat verzeihe oder dass ich sie zu entschuldigen versuche.«
    »Verminderte Schuldfähigkeit, Leo? Also, wenn das keine Entschuldigung ist, dann weiß ich auch nicht.«
    Leo machte ein betont erstauntes Gesicht. Er sah jeden am Tisch an, dann verharrte er bei Terry. »Ist mir irgendwas entgangen? Habe ich irgendwas grundsätzlich missverstanden, wenn es darum geht, einen Mandanten zu vertreten?«
    »Meine Herren!«
    »Die Frage geht an dich, Leo«, sagte Terry. »Denk mal drüber nach, und dann sprechen wir uns wieder.«
    »Meine Herren«, sagte Howard noch einmal. Er biss die Zähne zusammen, so dass sich sein Kiefer vorwölbte. »Gehen wir jetzt zum nächsten Punkt über, ja?«

    Irgendetwas über Papier. Es mehrfach verwenden, gar nicht verwenden, der Traum – so utopisch er auch klingen mochte – vom papierlosen Büro.
    Leo hörte kurz zu, dann driftete er mit den Gedanken ab, hörte wieder zu … Meist driftete er ab, aber er

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