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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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verprügeln! Die königliche Linie ist gespalten und damit auch die Loyalität der Nation. Ich herrsche über ein friedliches Land, weil ich versucht habe, alle miteinander auszusöhnen. Der Erzbischof ist mein Gegengewicht, doch mit seinen Vorstellungen von einem durch die Kirche beherrschten Staat würde er die Balance zerstören, wenn er könnte. Um das zu erreichen, würde er das Land in einen Bürgerkrieg verstricken; die Folgen kümmern ihn nicht. Wenn ich ihn des Verrats bezichtigte, täte ich dasselbe. Er wird vor nichts haltmachen, ich aber halte schon sehr lange vorher inne.
    Etaa strich Willem über den gesenkten Kopf. Ich verstehe nichts von Bedürfnissen von Nationen, Meron … und du verstehst nichts von den Bedürfnissen von Frauen und Männern. Sie blickte plötzlich auf, das Gesicht voll Seelenangst. Er wird dich zerstören, Meron! Laß ihn das nicht tun, laß ihn nicht! … Ihre Hände sanken hoffnungslos in den Schoß; sie erhob sich und wandte sich der Wiege zu, um ihren sanften Sohn zu trösten.
    Zwei Tage später war Willem verschwunden. Die anderen Pagen sagten, er sei von zu Hause weggelaufen, aber eines von Etaas Ohrgehängen, die winzigen Silberglocken, die sie immer trug, war ebenfalls nicht mehr da. Ich fragte sie, wo es sei, und etwas zu nachlässig signalisierte sie, daß sie es verloren habe.
    Und so wußte ich, daß Willem nach Osten gegangen war, um den Schmied zu finden.
    Langsam, mit allen Schmerzen einer Geburt, gab der Winter endlich den Weg für den Frühling frei, und die Kedonnyer überfielen weiterhin unsere Grenzgebiete. Etaa trauerte in ihren Räumen, und die Neujahrslustbarkeiten auf dem Anger schienen wie eine bunte, hohle Verhöhnung der Vergangenheit. Und während ich in jener Nacht schlief und von glücklicheren Zeiten träumte, verschwanden Etaa und mein Sohn.
    Rasend wegen meines Verlustes, ließ ich das Land wieder und wieder absuchen, aber es gab keine Spur von ihnen. Es gab keine Gerüchte und keinen Hinweis, fast schien es, als hätte es sie nie gegeben. Ich fand keine Ruhe mehr, und meine Edlen sagten in aller Öffentlichkeit, daß ich wie ein Besessener aussähe. Der Erzbischof meinte lächelnd, die Erde hätte sie womöglich verschlungen, und fast hätte ich ihm geglaubt. Doch dann hörte ich, daß mein Wagenlenker in derselben Nacht wie Etaa verschwunden war und daß es einigen meiner Männer vorgekommen war, als sei mein Wagen in jener Nacht weggefahren und leer zurückgekommen. Und daher fragte ich mich, ob die Wahrheit nicht vielleicht weniger in der Erde als vielmehr im Himmel läge … ob die Götter Rache an mir genommen hatten.
    Unterdessen fraßen sich die Kedonnyer immer weiter in mein Land, und schließlich war ich gezwungen, meine Suche aufzugeben. Ich faßte den Plan, eine ganze Armee aufzustellen, um die Feinde in die Flucht zu schlagen, doch als ich die Männer einziehen lassen wollte, entdeckte ich, wie gut mein Erzbischof seine verruchte Arbeit geleistet hatte. Seine Gerüchte über meine Verhexung hatten sich festgesetzt: Mein eigenes Volk glaubte, daß mich die Schwarze Hexe in ihrem Bann verstrickt und meinen Geist verwirrt hatte und daß sie daraufhin verschwunden war wie das verfluchte Wesen, das sie war – und daß sie sogar meinen Sohn geraubt hatte, um ihn für irgendeine entsetzliche Gotteslästerung zu benutzen. Sie glaubten, ich würde sie in der Schlacht an die Kedonnyer verraten, daß die Götter selbst mich verlassen hatten.
    Sogar jene Herren, die der Linie meines Vaters immer treu ergeben waren, haben mich wegen des Erzbischofs im Stich gelassen, und diejenigen, die mich noch unterstützen, bekommen selbst kaum Hilfe, um die Armee aufzustellen. In meinem Land geht das Wort um, es sei Selbstmord, mit mir in den Krieg zu ziehen – daß die Mächte des Rechts wären befriedigt und die Götter würden jeden vor den heidnischen Horden retten, wenn man mir abschwören und mich zerstören würde. Verflucht soll die Kirche sein! Die Götter haben nie in einen Krieg zwischen den Menschen eingegriffen, ich zweifle daran, daß sie es jetzt tun werden. Und daher werde ich mich heute aufmachen, um mit den Streitkräften, die ich sammeln kann, selbst mein Königreich zu retten, wenn ich kann. Vielleicht wird dann dieser neue Sturm von Unwissenheit vorübergehen und nicht alle überschwemmen … Vielleicht. Vielleicht aber ist es auch schon zu spät …
    Wenn ja, ist es wohl am besten, daß Etaa fort ist und meinen Sohn mitgenommen hat. Ich

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