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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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sollst an diesem gottverlassenen Ort nicht deinem Schicksal überlassen werden. Ich bin dein Beschützer, ich bleibe mit dir hier, um mich um dich und dein Kind zu kümmern. Du bist … verbannt worden, und es wird ein hartes Leben für uns beide sein. Es wird aber nicht ewig dauern, nur bis … gewisse Angelegenheiten in Tramaine geregelt worden sind. Aber bis dahin muß alles so sein, du hast keine Wahl. Dies ist deine neue Heimat.
    Sie beobachtete mich starr, ihr Verlangen, hundert Fragen zu stellen, kämpfte mit der Gewißheit, daß es nicht nötig war, daß sie diese neue Prüfung nur auf sich nehmen und durchstehen konnte. Schließlich senkte sie den Blick, und ich sah, wie ihre bebenden Züge langsam in neuer Entschlossenheit ruhiger wurden. Sie würde sich anpassen. Ich war erleichtert und irgendwie überrascht.
    Wer hat das befohlen? Nicht … doch nicht der König? Ihre dunklen Augen flackerten dringlich auf. Nein. Ich beruhigte sie, ich dachte daran, wie sehr sie diesen Mann hassen mußte, und wollte die Wahrheit nicht noch grausamer machen, als sie war.
    Es ist der Wille der Götter, Etaa.
    Das Aufwallen ihrer Erleichterung verwandelte sich in ein plötzliches Stirnrunzeln, und sie sah mich einen Augenblick lang scharf an. Dann zog sie sich in ihr Schweigen zurück. Machte keine Zeichen mehr und wartete.
    Als Ersatz für ihr hinderliches Gewand gab ich ihr einen Arbeitsanzug und Stiefel, wie auch ich sie trug, dann wartete ich draußen vor dem Raumschiff im Wind, denn ich kannte die Voreingenommenheit der Heterosexuellen wegen ihres körperlichen Schamgefühls. Endlich erschien sie mit hochgebundenem Haar und ihrem Kind auf dem Rücken in den Falten ihres Umhangs. Die schwere Jacke flatterte wie ein Zelt um sie herum, doch ich konnte sehen, daß der Anzug sich ihr genügend angepaßt hatte, um sie warm zu halten. Ich schloß die Haken ihrer Jacke, wobei sie mich gespannt und argwöhnisch beobachtete. Dann lud ich die Vorräte aus und versiegelte die Luke hinter uns. Geräuschlos hob das Rettungsboot ab, des Königs Wagen würde zu Hause sein, bevor jemand ihn vermißt hätte. Ich wünschte, wir hätten mitfliegen können.
    Wir kämpften uns hügelaufwärts zu der Ruinenstadt durch, die zerschlagen durch den wehenden Sand und abgestorbene, unidentifizierbare Vegetation dalag. Das rauhe Labyrinth der baumüberwachsenen Ruinen brach die Kraft des Windes, als wir den Gipfel erreichten, keuchend blieben wir stehen, unsere brennenden Augen reibend, und der Wind heulte und rasselte über uns. Ich führte Etaa durch das Geröll in eine Unterkunft, die intakt geblieben war, ein vorgefertigter Kasten, der noch ein Dach hatte. Während wir die Straße entlangstolperten, sah sie sich zwar voller Scheu um, aber ohne jenes widerwärtige Grauen, das die Tramainer den Städten ihrer toten Vergangenheit entgegenbrachten. Ich fragte mich, ob sie je in ihrer Welt eine menschliche Stadt aus der Zeit vor der Großen Seuche gesehen hatte, ohne zu überlegen, daß sie nicht wußte, wo sie sich befand.
    Die Menschen hatten den inneren, größeren Mond eines Gasriesen, den sie Cyclops nannten, kolonialisiert; Cyclops umkreiste den gelben Stern Mehel. Dieser äußere, nur wenig kleinere Mond hier war kaum bewohnbar, und sie hatten nur deswegen versucht, hier eine Kolonie zu errichten, weil sie der Krankheit entfliehen wollten, die sie zu Hause vernichtete. Sie waren gescheitert, und alles, was übriggeblieben war, war diese Stadt unter Himmeln, die voller endloser, grauer Wolken hingen. Etaa bemerkte die Veränderung an diesen Himmeln nicht und wußte nie, daß es eine gegeben hatte, denn nie stellte sie Fragen; wir redeten so wenig wie möglich miteinander, und ich überraschte sie oft dabei, daß sie mich mit Augen irgendwo zwischen Angst und Nachdenklichkeit anstarrte.
    Einmal jedoch beharrte sie darauf, heilkräftige Kräuter für ihr Kind sammeln zu gehen, und als ich versuchte, ihr zu erklären, daß unsere Vorräte alles enthielten, was sie brauchte, nahm sie es nur schützend unter ihre Jacke und schlüpfte zur Tür hinaus. Ich folgte ihr bewaffnet nach, denn ich wußte noch nicht genau, was außer uns diese tote Stadt zur Heimat erkoren hatte. Über eine Stunde lang beobachtete ich, wie sie nach einer Spur des Lebens suchte, das sie kannte; aber nichts hatte den Aufbruch der Menschen überdauert. Endlich eilte sie besiegt und zitternd an mir vorbei, ohne mir in die Augen zu sehen, und kehrte in die Unterkunft zurück.

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