Das Kind der Rache
sind. Was ist, wenn mir die Namen nicht einfallen?
Ich glaube, ich werde vor Verlegenheit in Grund und Boden
versinken.«
»Mach dir keine Sorgen, du wirst es schon schaffen. Und
jetzt beeil dich, wir sind spät dran.«
Sie gingen die Stufen hinauf und betraten den festlich
hergerichteten Saal, wo sie Kate Lewis und Bob Carey in die
Arme liefen.
Und dann nahmen sie, den Anweisungen einer Lehrerin
folgend, in der schnurgeraden Reihe Aufstellung, die von den
hoffnungsvollen Söhnen und Töchtern des Ortes La Paloma
gebildet wurde.
Mit klopfendem Herzen brachten sie das Zeremoniell hinter
sich, vor dem Alex so große Angst gehabt hatte.
Als alles ausgestanden war, trafen Alex und Lisa wieder mit
Bob und Kate zusammen. Eine Weile lang sprach keiner ein
Wort.
Es war Kate, die schließlich das Schweigen brach. »Das
ganze Jahr habe ich mich auf diesen Abend gefreut. Ich glaube,
ich werde mich mein ganzes Leben lang daran erinnern.«
»Wir alle werden uns daran erinnern«, sagte Lisa.
Sie ahnte nicht, daß sie auf unheilvolle Weise recht behalten
würde.
Zweites Kapitel
Mit einem jähen Akkord brach die Rockmusik ab. Alex warf
einen Blick in die Runde. Wo war Lisa? Es war eine
Viertelstunde her, daß er sie gesehen hatte. Sie hatte mit Bob
Carey getanzt, er mit Kate Lewis. Danach hatte Alex noch
zweimal die Partnerin gewechselt. Bob stand jetzt bei Jennifer
Lang, und es war so laut im Saal, daß er ihr ins Ohr schreien
mußte, um sich verständlich zu machen. Alex schob sich durch
die Menge nach draußen, wo er Lisa suchen wollte. Kurz bevor
er die Saaltür erreichte, legte sich eine Hand auf seinen Arm.
Es war Carolyn Evans.
»Wenn du Lisa suchst, sie ist mit Kate und Jenny im
Vorraum zur Toilette. Die drei wollen sich hübsch machen...«
»Ich werde in der Zwischenzeit ein Glas Punsch trinken,
falls noch welcher übrig ist.«
»Davon sind noch Riesenmengen übrig«, sagte Carolyn
abfällig. »Ich glaube, niemand außer dir und Lisa mag das
Zeug. Komm raus in meinen Wagen, ich spendiere dir ein
Bier.«
Alex schüttelte den Kopf.
»Komm schon«, lockte Carolyn. »Ein Bier, was macht das
schon? Ich habe bereits das vierte getrunken, und wie du siehst,
bin ich nicht mal beschwipst.«
»Ich muß noch fahren. Wenn ich fahre, trinke ich keinen
Alkohol.«
Carolyn warf den Kopf zurück. Ein wunderschönes Lachen,
vermutlich stundenlang vor dem Spiegel geübt, kam über ihre
schimmernden Lippen. »Warum spielst du dich als Mustersohn
auf? Was hast du gegen ein kleines Bier? Komm auf die Erde
runter, Alex.«
»Ich bin überhaupt kein Mustersohn«, antwortete Alex. »Es
ist nur so, daß mein Vater mir den Wagen nicht mehr gibt,
wenn ich mit einer Bierfahne nach Hause komme.«
»Schade«, gurrte Carolyn. »Dann kannst du wohl auch nicht
zu meiner Party kommen. Alle unsere Freunde werden da sein.
Ich weihe unser neues Haus ein, weißt du.«
Alex sah das Mädchen ungläubig an. Sprach sie von der
alten Hazienda? Von seiner Mutter wußte er, daß die Renovierungsarbeiten im neuen Heim der Familie Evans noch
mindestens einen Monat dauern würden.
Alle in La Paloma, auch Leute, die von der Familie Evans
nicht viel hielten, waren neugierig auf das, was Cynthia Evans
mit dem Geld ihres Mannes zustande gebracht hatte.
Zunächst hatte man allgemein angenommen, Cynthia würde
das baufällige Anwesen am oberen Ende des Hacienda Drive
abreißen lassen. Das Gebäude stand seit vielen Jahren leer, und
es hatte viel zu viele Räume für eine Familie, die nicht über
Dienstboden verfügte. Ohnehin war es unwirtschaftlich, ein
solches Haus zu restaurieren.
Aber die Leute hatten sich getäuscht.
Als erstes ließ Cynthia Evans die Umfriedungsmauer wieder
aufrichten, samt neuen Holztoren, die aufgrund einer
Zeichnung, die das Haus vor 150 Jahren zeigte, gezimmert
worden waren. Natürlich waren die neuen Tore mit einer
modernen Alarmanlage und einem elektrischen
Öffnungsmechanismus versehen. Nachdem die Mauer stand,
begann Cynthia mit der Restaurierung des Herrenhauses und
der Nebengebäude.
Fast jeder in La Paloma hatte versucht, aus nächster Nähe
einen Blick auf das wiederhergestellte Haus zu erhaschen, aber
vergebens. Cynthia achtete darauf, daß die Tore stets
geschlossen blieben. Alex war einmal in Begleitung einiger
Schulfreunde auf den Hügel oberhalb des Anwesens geklettert,
aber von dort konnte man auch nicht viel sehen, nur den neuen
Verputz und das frischgekalkte Mauerwerk. Das Dach war neu
gedeckt worden, mit roten
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