Das Kind der Rache
war der
Grund, warum ich die Techniken anwandte, die ich Ihnen
soeben beschrieben habe.«
»Sie taten das ohne unsere Erlaubnis«, warf Marsh ein.
»Ich tat das mit Ihrer Erlaubnis«, korrigierte ihn Dr. Torres.
»Sie haben mir durch die Vollmacht, die Sie vor Alex'
Operation unterzeichnet haben, freie Hand gelassen. Und was
ich getan habe, hat funktioniert.« Er zögerte. Als er schließlich
weitersprach, geschah es mit tiefem Ernst. »Nachdem Sie mir
heute Vorwürfe machen, wäre es wahrscheinlich besser
gewesen, ich hätte Ihren Sohn für tot erklärt. Man hätte Alex'
Leiche dann für wissenschaftliche Versuche freigeben
können.«
»Die Leiche zu wissenschaftlichen Versuchen freigeben?«
herrschte ihn Marsh an. »Genau das haben Sie doch getan! Sie
selbst waren es, der Alex als Versuchskaninchen benutzt hat.«
Ellen war aufgesprungen. »Hört sofort damit auf!« brach es
aus ihr hervor. Ihr Blick irrte zwischen Marsh und Dr. Torres
hin und her. »Ihr sprecht von Alex, als wäre er schon nicht
mehr am Leben.«
»In gewisser Weise haben Sie recht, Ellen«, sagte Torres.
»Er lebt nicht mehr, jedenfalls nicht der Alex, den Sie gekannt
haben. Der Alex, den es heute gibt, ist ein Mensch, den ich neu
erschaffen habe.«
Eine gespenstische Stille erfüllte den Raum. Es war Marsh,
der nach langen Sekunden das Schweigen brach. »Sie haben
mit Hilfe von Mikroprozessoren einen neuen Menschen
geschaffen? Ich kann das immer noch nicht glauben. So etwas
ist unmöglich.«
»So etwas ist nicht unmöglich«, widersprach ihm Dr. Torres.
»Und es ist gar nicht so kompliziert, wie es sich in der
Erklärung, die ich Ihnen vorhin zu geben versucht habe,
angehört hat. Schwierig ist nur, die richtigen Kontakte im
Gehirn herzustellen. Man muß die Neuronen mit den
Mikroprozessoren verbinden, darin liegt das technologische
Problem. Glücklicherweise ist uns das Gehirn dabei behilflich.
Es baut in eigener Regie neue Verbindungen auf, sobald sich
herausstellt, daß die künstlich geschaffenen Kontakte nicht
funktionieren. Man könnte sagen, daß das Gehirn menschliche
Irrtümer ausgleicht.«
»Aber Alex lebt«, flüsterte Ellen. »Er lebt.«
»Sein Körper lebt, das ist richtig«, sagte Torres. »Er lebt,
weil er von siebzehn Mikroprozessoren am Leben erhalten
wird. Jeder Chip steuert einen festumrissenen physikalischen
Bereich des Körpers. Drei Mikroprozessoren überwachen die
Drüsen, vier sind für die Steuerung des Nervensystems
verantwortlich. Vier Chips sind mit dem programmiert, was
man bei Menschen das Gedächtnis nennt. Das künstliche
Gedächtnis war übrigens vergleichsweise einfach
herzustellen.«
»Ein künstliches Gedächtnis?« echote Ellen.
Torres nickte. »Ein winziges Computersystem, das die
Funktion des Gedächtnisses übernimmt. Ich habe seit vielen
Jahren an diesem Projekt gearbeitet. Das Stichwort heißt
künstliche Intelligenz. Es ging um die Erschaffung eines
Computers, der mit einer eigenen Denkfähigkeit ausgestattet
ist. Die Computer der ersten Generation konnten nur rechnen,
meiner kann denken. Das Problem bestand darin, daß die
Forschung eigentlich nur wenig über das menschliche Gehirn
weiß. Wir wissen heute immer noch nicht, wie Gedanken
überhaupt zustande kommen. Aber das Ziel war klar. Mir ging
es darum, eine Maschine zu konstruieren, die mit der
Denkfähigkeit eines Menschen ausgestattet ist.«
»Und Sie haben Alex' Körper mißbraucht, um dieses Ziel zu
erreichen«, sagte Marsh eisig.
Dr. Torres überging den Vorwurf. »In der letzten Phase
meiner Experimente kam ich zu der Erkenntnis, daß ich meine
ursprüngliche Strategie auf den Kopf stellen mußte. Es schien
unmöglich, eine Maschine zu konstruieren, die wie ein Mensch
denkt. Also mußte ich einen Menschen erschaffen, dessen
Gehirn wie ein Computer funktioniert. Ein Mensch, der
Erinnerungen wie ein Computer speichern kann. Vor zehn
Jahren wäre so etwas noch unmöglich gewesen. Heute stellt
uns die Technik die Mittel zur Verfügung. Die Lösung bestand
darin, daß ich Mikroprozessoren in das Gehirn einpflanzte.
Dadurch verfügte Alex' Gehirn über einen enormen Datenfluß.
Die eigentlichen Denkvorgänge geschehen nach wie vor in den
Gehirnwindungen. Es ist auf absehbare Zeit nicht möglich,
diese Funktionen durch Computersysteme ausführen zu
lassen.«
»Sie haben also begonnen, den Patienten Ihrer Klinik
Mikroprozessoren ins Gehirn zu implantieren«, stellte Marsh
fest.
Dr. Torres verneinte. »Das Risiko wäre viel zu groß
gewesen. Ich
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