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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Blick. »Ich werde Ihnen jetzt ein paar
wichtige Dinge erklären, und ich möchte, daß Sie mir gut
zuhören. Vielleicht wird es Ihnen schwerfallen, die Wahrheit
zu akzeptieren, aber es ist besser, wenn Sie den Tatsachen ins
Auge sehen. Zuerst einmal sollten Sie beide wissen, daß Alex
keine Erinnerungen an Ereignisse hat, die vor seinem Unfall
passiert sind. Alles, was er weiß, sind die Informationen, die
ich in die Datenbänke eingespeichert habe. Ich spreche von den
Chips, die ich in sein Gehirn implantiert habe. Soweit er über
echte, natürliche Erinnerungen verfügt, stammen sie aus der
Zeit nach dem Unfall. Als er aus der Narkose aufwachte, wußte
er nur das, was in seinen Programmen gespeichert war. Der
normale Wortschatz eines jungen Mannes. Die Kenntnis, wie
die Gegenstände des täglichen Bedarfs aussehen. Inzwischen
hat er eine Fülle neuer Daten aufgenommen und mit der
Kapazität eines großen Computers verarbeitet.« Dr. Torres
wandte sich zu Marsh. »Das ist der Grund, warum er Ihnen wie
ein Genie vorkommt.« Er hatte das Gefäß ergriffen, in dem die
Chips schwammen, und spielte damit. »Sein Gedächtnis
funktioniert besser als das jedes anderen Menschen. Er kann
sich an jedes Wort erinnern, das er in den Wochen und
Monaten nach der Operation gesagt hat. Ebenfalls erinnert er
sich wortwörtlich an alles, was er nach der Operation gesehen
und gehört hat. Er kann fantastisch schnell rechnen. Er kann
logische Schlüsse ziehen. Ob all diese Eigenschaften ihn zu
einem Genie machen, darüber möchte ich mir kein Urteil
erlauben. Das sollen andere entscheiden, die dazu berufen sind,
nicht ich. Allerdings ist zu sagen, daß es bei Alex auch
erhebliche Defizite gibt. Vielleicht am auffälligsten ist die
Tatsache, daß er keinerlei Gefühle mehr empfinden kann.« Dr.
Torres hatte seine Pfeife hervorgeholt und begann sie mit
Tabak zu stopfen. Es war das erstemal bei diesem Gespräch,
daß Marsh und Ellen ihn rauchen sahen. »Was Emotionen
angeht, so weiß die Forschung darüber recht genau Bescheid.
Wir wissen, in welchen Bereichen des Gehirns Gefühle
entstehen. Wir können Gefühle sogar künstlich erzeugen,
indem wir bestimmte Regionen des Gehirns elektrischen oder
chemischen Reizen aussetzen. Allerdings kann man
Mikroprozessoren nicht mit Gefühlen programmieren, und das
ist der Grund, warum Alex keine Empfindungen hat.« Er hob
den Blick. »Es ist zugleich der Grund, warum Alex keinen
Mord begehen kann.«
»Ich kann Ihnen in diesem Punkt leider nicht folgen«,
erwiderte Marsh. »Nach allem, was Sie uns erklärt haben,
würde Alex den perfektesten Mörder der Welt abgeben.«
»Er könnte einen Mord nur dann begehen, wenn er entsprechend programmiert ist«, erklärte Dr. Torres. »Es ist ja
hinreichend bekannt, aus welchen Motiven Morde begangen
werden. Wut, Eifersucht, Furcht, um nur ein paar klassische
Auslöser zu nennen. Nun kann Alex aber weder Wut noch
Eifersucht noch Furcht empfinden. Er weiß, daß andere
Menschen entsprechende Empfindungen haben, aber er selbst
hat so etwas nie gefühlt. Er hat folglich keinerlei Motivation,
einen Mord zu begehen.«
»Es sei denn, er wäre zum Töten programmiert worden«,
warf Marsh ein.
»Das sagte ich bereits. Aber selbst dann würde Alex das
eingespeicherte Programm noch analysieren, bevor er die
Weisung ausführt. Er würde nur morden, wenn die Tö
tungshandlung logisch zu begründen ist.«
Marsh ließ Dr. Torres' Worte auf sich einwirken. Es war ihm
unmöglich, die Schlußfolgerungen aus dem Gehörten zu
ziehen. Widerstrebende Gefühle quälten ihn. Mein Sohn ist tot,
dachte er. Und doch weiß ich, daß er lebt. Er kann stehen,
gehen und sich bewegen. Er kann sprechen. Hat dieser Dr.
Torres ein Recht, ihn als Maschine zu bezeichnen?
Sein Blick wanderte zu Ellen, die mit den Tränen kämpfte.
Er stand auf, ging zu ihr und kniete sich neben sie.
»Er ist tot, Ellen«, flüsterte er.
»Nein«, schluchzte Ellen. Jetzt kamen die Tränen, die sie so
lange zurückgehalten hatte. »Er darf nicht tot sein, Marsh!« Sie
schmiegte sich an ihren Mann, der ihr mit einer liebevollen
Geste Trost zu spenden versuchte.
Nach einer Weile gab Marsh seine Frau frei. Er fixierte Dr.
Torres mit einem Blick, in dem sich Trauer, Gram und Zorn
mischten.
»Warum?« fragte er. »Warum haben Sie das getan?«
»Weil Sie mich darum gebeten haben«, antwortete Torres.
»Sie haben mich darum gebeten, Alex das Leben zu retten. Ich
hatte nur die Wahl, sein Gehirn durch

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