Das Kind der Rache
Mikroprozessoren zu
ersetzen oder ihn sterben zu lassen.« Er sah Marsh in die
Augen. »Hätten Sie in meiner Lage anders gehandelt?«
Marsh schwieg. Eine Weile wußte er nicht, was er Dr. Torres
antworten sollte. Schließlich sagte er: »Ich weiß es nicht. Ich
empfinde Abscheu, wenn ich mir vorstelle, ich müßte eine
solche Operation durchführen. Aber ob ich wirklich anders
gehandelt hätte als Sie?« Er war aufgestanden. Er kam ins
Schwanken, so daß seine Frau ihn stützen mußte. Er hielt den
Blick auf den Chirurgen gerichtet. »Was sollen wir jetzt tun?«
»Wir müssen Alex suchen«, erwiderte Dr. Torres. »Sobald
wir ihn gefunden haben, sollten wir ihn hierher ins Institut
bringen. Einer der Gründe dafür ist der Test, der gestern an
Alex durchgeführt wurde. Etwas ist schiefgelaufen. Man hat
ihm keine Anästhesie gegeben.« Er erklärte den Test in kurzen
Worten und beschrieb, wie Alex seiner Meinung nach auf die
empfangenen Reize reagiert hatte. »Ich bin zuversichtlich, daß
die Mikroprozessoren bei dem Test nicht beschädigt worden
sind. Aber ich möchte auf sicher gehen, deshalb möchte ich,
daß Sie mir Alex zurückbringen. Ich sagte Ihnen bereits, daß es
einen anderen Punkt gibt, der mir große Sorgen macht. Ich
meine Alex' Erinnerungen an frühere Zeiten.«
Marsh spürte, daß Dr. Torres Wissen zurückhielt. »Die
Erinnerungen, von denen Sie sprechen, sind keine Einbildung«,
sagte er. »Er erinnert sich tatsächlich. Wie erklären Sie sich
das?«
»Ich weiß es nicht«, räumte Dr. Torres ein. »Um so
wichtiger ist es, daß Alex wieder in meine Obhut kommt.
Wahrscheinlich wurde eine fehlerhafte Information in seine
Datenbänke eingespeichert. Wir müssen den Irrtum aufspüren
und korrigieren. Eines ist mir in den Gesprächen mit Ihrem
Sohn aufgefallen. Er will unbedingt herausfinden, wie die
Erinnerungen an Dinge, die vor seiner Geburt geschahen, in
seinem Gehirn entstehen konnten. Irgendwann wird er zu der
Erkenntnis gelangen, daß er sich getäuscht hat. Die Ereignisse,
an die er sich erinnert, hat es nie gegeben. Wenn Alex das
einmal begreift, könnte er auf unkontrollierte Art und Weise
reagieren. Auch deshalb möchte ich ihn unbedingt im Institut
unter Beobachtung halten.«
Feindseligkeit mischte sich in Marsh' Stimme, als er antwortete. »Dr. Torres, Sie haben soeben angedeutet, daß Alex
verrückt werden könnte. Wäre es nicht möglich, daß er jetzt
schon verrückt ist? Könnte er dann nicht doch die Morde
begangen haben?«
»Nein«, erwiderte Torres. »Ich sagte Ihnen, daß ich sein
Gehirn durch einen Computer ersetzt habe. Ein Computer kann
nicht verrückt werden.«
»Aber ein Computer kann einen Kurzschluß haben«, sagte
Marsh mit verletzender Kühle. »Gehe ich richtig in der
Annahme, daß ein Kurzschluß Alex' Tod bedeuten würde?«
Torres nickte. »Das wäre denkbar.« Er sah die Angst in
Ellens Augen und fügte hinzu: »Glauben Sie mir, Ellen, Alex
hat kein Verbrechen begangen, dazu ist er nicht fähig. Ich bin
zuversichtlich, daß ich ihm helfen kann. Er wird wieder ganz
gesund werden.«
»Er wird nicht wieder ganz gesund werden«, sagte Marsh
leise. Er gab Ellen die Hand und half ihr aus dem Sessel. »Dr.
Torres, ich bin nicht damit einverstanden, daß Sie bei meiner
Frau Hoffnungen wecken, die sich nie erfüllen werden. Wir
alle sollten endlich akzeptieren, daß Alex bei jenem Unfall im
Mai gestorben ist. Wir sind uns darüber einig, daß es einen
Menschen gibt, der aussieht wie mein Sohn. Ich kenne diesen
Menschen, weil er in meinem Haus wohnt, und ich sage Ihnen,
das ist nicht Alex.« Er führte Ellen zur Tür und wandte sich
um. »Wir werden jetzt nach Hause fahren, Dr. Torres. Wenn
Alex heimkommt, werde ich die Polizei verständigen. Ich
werde der Polizei sagen, daß Sie die Erziehungsgewalt über
diesen jungen Mann haben. Wenn die Polizei Fragen hat, kann
sie diese Fragen am besten mit Ihnen abklären. Alex ist nicht
mehr mein Sohn. Sie tragen jetzt die Verantwortung für ihn.«
Er wandte sich ab und geleitete Ellen aus dem Büro.
Sie waren eine Viertelstunde gefahren, als Ellen ihren Mann
fragte: »Ist unser Sohn wirklich tot, Marsh? Hat Raymond uns
die Wahrheit gesagt?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Marsh. Seit sie das Institut
verlassen hatten, hatte er über die gleiche Frage nachgegrübelt.
»Ich glaube, daß Dr. Torres uns die Wahrheit gesagt hat. Ich
glaube ihm, daß er Alex Mikroprozessoren implantiert hat. Ob
Alex tot ist, ist eine Frage, die ich
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