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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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gibt da ein paar Dinge,
die ich nicht verstehe.«
»Und du glaubst, dein guter alter Hausarzt kann dir deine
Fragen beantworten, oder?« Er deutete auf die Couch. »Ich bin
nicht sicher, ob ich mich in der speziellen Materie auskenne,
um die es da geht. Was willst du wissen?«
»Ich will wissen, wie schwer die Gehirnverletzungen waren,
die ich bei dem Unfall erlitten habe. Genauer gesagt, wie tief
die Verletzungen gingen. Ich meine damit nicht die
Großhirnrinde. Was diesen Teil meines Gehirns angeht, so
glaube ich, daß ich damit keine Probleme habe.«
»Und wo, glaubst du, sind die Probleme angesiedelt?«
»In der Amygdala«, sagte Alex. Marsh sah ihn erstaunt an.
Die Amygdala war ein kleines, mandelförmiges Organ im
Gehirn, das fast vollständig vom Ammonshorn umgeben war.
An die genaue Funktion, die diesem Organ zugeteilt war,
erinnerte er sich nicht.
»Ich weiß, an welcher Stelle des Gehirns die Amygdala
liegt«, sagte er. »Und nun?«
»Es scheint, daß meine Amygdala bei dem Unfall beschädigt
wurde. Ich verstehe allerdings nicht, wie das möglich war.«
Marsh beugte sich vor. »Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz
folgen. Wie kommst du darauf, daß deine Amygdala verletzt
wurde?«
»Weil mir die Funktionen fehlen, die dem Buch zufolge von
der Amygdala gesteuert werden. Ich habe keine Gefühle mehr,
und ich habe bei dem Unfall das Gedächtnis verloren. Zwar ist
die Erinnerung nach und nach zurückgekehrt, aber die
Informationen sind fehlerhaft. Ich erinnere mich an die Dinge
nicht so, wie ich sie erlebt habe, sondern so, wie sie vor vielen
Jahren, lange vor meiner Geburt, einmal waren.«
Marsh verstand immer noch nicht, worauf sein Sohn
hinauswollte. »Und wie erklärst du dir das?«
»Ich vermute, daß ich mir die Erinnerungen nur einbilde.
Mein Gedächtnis hält Vorgänge gespeichert, die sich ereignet
haben, bevor ich überhaupt existierte.«
»Es gibt auch eine andere Erklärung«, sagte Marsh. »Vielleicht gibt es ein paar falsche Querverbindungen zwischen den
Nervensträngen, die das Gedächtnis steuern.«
»Ich glaube nicht, daß diese Erklärung zutrifft«, sagte Alex.
»Wahrscheinlicher ist, daß ich mir die Erinnerungen nur
einbilde.«
»Und was hat das alles mit der Amygdala zu tun?«
»In dem Buch steht, daß die Amygdala für die richtige
Einordnung der Erinnerungen verantwortlich ist, und genau
daran hapert es bei mir. Es kommt mir so vor, als würden die
gespeicherten Informationen von meinem Gehirn verfälscht.«
Marsh' Gesichtsausdruck verriet seine Skepsis. »Das ist doch
alles sehr an den Haaren herbeigezogen, findest du nicht?«
»Ich weiß nicht. Immerhin steht in dem Buch, daß die
Amygdala auch die emotionalen Erinnerungen steuert. Diese
Funktion ist bei mir gestört. Ich habe weder Emotionen noch
die Erinnerung an Emotionen.«
Sein Vater hatte alle Mühe, nach außen hin Gelassenheit zu
bewahren. »Und weiter?«
»Das ist schon alles. Die Tatsache, daß ich weder Gefühle
noch irgendeine Erinnerung an Gefühle habe, bringt mich zu
dem Schluß, daß die Amygdala bei dem Unfall verletzt
wurde.«
»Ob deine Schlußfolgerung richtig ist«, bemerkte Marsh,
»hängt davon ab, ob die Thesen in dem Buch wissenschaftlich
haltbar sind oder nicht. Insgesamt weiß die Medizin erstaunlich
wenig über das menschliche Gehirn.«
»Einmal unterstellt, die Thesen des Buches stimmen. Dann
müßte ich eigentlich tot sein.«
Marsh war so schockiert, daß er schwieg. Die Schlüsse, die
sein Sohn zog, waren aus medizinischer Sicht absolut richtig.
»Es scheint eine sehr tiefreichende Verletzung vorzuliegen«,
fuhr Alex fort. Er sprach, als unterhielten sie sich über das
Wetter. »Bevor ein Fremdkörper die Amygdala verletzen kann
muß er die Gehirnhaut, das Großhirn, das Kleinhirn und die
Zirbeldrüse durchdringen. Wenn das geschehen wäre, hätte ich
den Unfall nicht überlebt, oder aber ich würde im Koma
dahinvegetieren. Verletzungen von dieser Schwere bewirken
Bewußtlosigkeit. Ein solcher Mensch kann nicht mehr gehen
und sprechen, er kann nicht mehr sehen und hören.«
Marsh nickte. Was sein Sohn sagte, entsprach genau dem,
was er, der Vater, bei seinem Medizinstudium gelernt hatte.
»Ich möchte in Erfahrung bringen, wie mein Zustand ist,
Daddy. Ich möchte wissen, wie schwer meine Gehirnverletzungen sind und welcher Art die Operation war, die Dr.
Torres bei mir vorgenommen hat. Ich möchte wissen, warum
Teile meines Gehirns problemlos

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