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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Verwirrung.
Dort stand schwarz auf weiß, daß die Beeinträchtigungen,
unter denen er litt, medizinisch unmöglich waren.
Er war sicher, daß er irgendeinen Satz falsch verstanden
hatte, und wollte das Kapitel ein drittes Mal lesen, als er ein
leises Klopfen an der Tür hörte. Seine Mutter trat ein.
»Hi, Alex.«
»Hi, Mama.« Er sah von seinem Buch auf. »Seid ihr immer
noch am Streiten?«
»Nein«, sagte sie. »Und es war auch kein richtiger Streit.
Wir haben uns nur über Dr. Torres unterhalten, das ist alles.«
Alex runzelte die Stirn. Dann: »Vater mag diesen Dr. Torres
nicht, oder?«
»Ganz recht«, sagte Ellen. »Er mag ihn nicht. Aber das ist
nicht wichtig. Hauptsache, Dr. Torres macht dich wieder
gesund.«
»Und was ist, wenn er mich nicht wieder gesund macht?«
Ellen schloß die Tür und setzte sich zu ihrem Sohn aufs Bett.
»Deine Genesung macht gute Fortschritte«, sagte sie.
»Ist das wahr?«
»Natürlich ist das wahr. Du gewinnst nach und nach dein
Gedächtnis zurück.«
»Ich bin nicht sicher, ob es so ist«, antwortete Alex.
»Manchmal glaube ich, Erinnerungen zu haben, aber die
Dinge, an die ich mich erinnere, ergeben keinen Sinn. Mir
fallen zum Beispiel Sachen ein, die ich eigentlich gar nicht
wissen kann.«
»Was meinst du damit?«
Er berichtete ihr von den merkwürdigen Erlebnissen, die er
gehabt hatte. Daß er Stimmen gehört hatte, verschwieg er ihr.
Darüber würde er erst reden, wenn er die Stimmen verstand.
Ellen hörte ihm aufmerksam zu. Als er fertig war, lächelte sie
ihm ermunternd zu.
»Aber das ist doch ganz einfach zu erklären«, sagte sie. »Du
hast das Buch schon einmal in der Bibliothek ausgeliehen.«
»Miß Pringle sagt nein.«
»Arlettes Gedächtnis ist auch nicht mehr so gut, wie es
einmal war«, erwiderte Ellen. »Aber es gibt noch eine andere
Erklärung. Du kannst das Buch vor deinem Unfall irgendwo
gesehen haben. Bei einem Besuch bei deinen Großeltern zum
Beispiel.«
»Meine Großeltern? Ich kann mich doch nicht einmal an die
Gesichter der beiden erinnern. Wie könnte ich mich dann an
ein Buch erinnern, das ich in ihrem Haus gesehen habe?«
»Wir werden das Dr. Torres fragen. Mein Gesamteindruck
ist, daß deine Erinnerungsfähigkeit besser geworden ist, auch
wenn es hier und da noch Schwierigkeiten gibt. Meiner Ansicht
nach machst du nur einen Fehler. Du zerbrichst dir den Kopf,
warum du dich an bestimmte Dinge erinnerst und an andere
nicht. Statt dessen solltest du deine Energie besser darauf
verwenden, in dein Gedächtnis hineinzulauschen und mehr
Erinnerungen zu haben.« Erst jetzt fiel ihr Blick auf das Buch,
in dem Alex gelesen hatte. Sie betrachtete das Umschlagbild,
das eine vielfach vergrößerte menschliche Gehirnzelle zeigte.
»Warum liest du das?«
»Wenn ich mehr über das Gehirn weiß, kann ich mir
vielleicht zusammenreimen, was eigentlich mit mir los ist.«
»Und zu welchen Erkenntnissen bist du gelangt?« fragte sie.
»Ich weiß nicht. Ich muß den Inhalt des Buches noch genau
studieren, bevor ich dazu etwas sagen kann.«
Ellen legte das Buch aufs Bett und ergriff seine Hand. Er
zeigte keine Reaktion auf die liebevolle Geste. »Alex«, sagte
sie. »Die Hauptsache ist, du wirst wieder gesund. Es kommt
nicht darauf an, auf welche Weise die Genesung zustande
kommt. Verstehst du das?«
Alex schüttelte den Kopf. »Das Problem ist, ich bin nicht
sicher, daß ich überhaupt auf dem Weg der Genesung bin«,
sagte er. »Mir scheint... jedenfalls meine ich, es wäre hilfreich,
wenn ich weiß, wie mein Gehirn funktioniert.«
Ellen drückte die Hand ihres Sohnes, dann gab sie ihn frei
und stand auf. »Wenn du dir mit Hilfe des Buches neues
Wissen aneignen willst, ist es gut. Dein Vater und ich, wir
freuen uns, wenn du viel lernst. Aber bleib nicht so lange auf,
versprichst du mir das?« Alex nickte, dann ergriff er das Buch
und begann zu lesen. Als Ellen ihm einen Gutenachtkuß gab,
erwiderte er ihren Kuß.
Sie ging hinaus, und Alex wunderte sich, warum sie ihn so
oft küßte. Was sie wohl dabei empfand? Er für seinen Teil
fühlte gar nichts...
    Marsh befand sich immer noch im Wohnzimmer. Traurig
starrte er in die leere, dunkle Höhle des Kamins, als Alex den
Raum betrat. Seit dem Gespräch, das die Mutter mit ihrem
Sohn geführt hatte, war eine Stunde vergangen. »Daddy?«
    »Ich dachte, du würdest schon schlafen.«
»Ich habe noch gelesen«, erklärte Alex. »Und zwar in einem
Buch über das menschliche Gehirn. Es

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