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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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trafen sogar zu. Aber der Grund, weshalb ich nicht gegangen war, hatte nichts damit zu tun. Ich hatte mich fern gehalten, weil ich fürchtete, sobald ich sehen würde, was sich in diesem Zimmer befand, würde ich nicht die Willenskraft aufbringen können, mit meiner Aufgabe fortzufahren. Und wenn ich dabei versagte, würde mein Vater unter schrecklichen Schmerzen sterben. Heute jedoch blieb mir nichts anderes übrig. Ich hatte es versprochen. Ich musste gehen. Ich musste es sofort tun, bevor ich den wenigen Mut, den ich heraufbeschwören konnte, auch noch verlor. Es ging nur darum, meine Füße zu zwingen, sich den Flur entlangzubewegen, einen Schritt nach dem anderen, und wenn ich an die Tür kam, nicht schnell daran vorbeizugehen und zu versuchen, die Geräusche nicht zu hören, sondern hineinzugehen und …
    Ich hob Riona hoch und klemmte sie unter den Arm. Und dann war da noch der Schal, den ich um sie gewickelt hatte, dieser wunderbare, von Sonne erfüllte Schal. Wie konnte ich ihn tragen? Es war, als würde ich Darragh sehen lassen, was ich getan hatte, als würde ich so tun, als hätte ich ein solches Geschenk verdient, wo mir doch nur bestätigt worden war, dass die von meiner Art zu nichts anderem als Zerstörung fähig waren. Aber irgendetwas brachte mich dazu, ihn dennoch anzulegen. Darüber packte ich mein schlichtes Wolltuch, so dass nur die seidigen Fransen unten ein wenig hervorschauten. Dann ging ich den Flur entlang, klopfte an die Tür und ging hinein, mit pochendem Herzen und schweißfeuchter Haut.
    »Fainne!«, rief Muirrin überrascht. Sie rührte in einem kleinen Topf, der neben dem Feuer stand. Maeve lag auf dem Bett, und Tante Aisling saß neben ihr, so dass ich das Kind nicht sehen konnte. In der Feuerstelle brannte ein kleines Feuer, und es roch angenehm nach Kräutern. Drüben am Fenster waren zwei Dienerinnen damit beschäftigt, frisch gewaschenes Leinen zu falten. Es gab eine Tür von diesem Zimmer zu dem anderen, wo die verwundeten Druiden lagen, aber sie war nur angelehnt. Nebenan war es still, bis auf die Stimme eines Mannes, der etwas vorlas oder leise rezitierte.
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte Muirrin leise zu mir und nickte zu ihrer Mutter hin. »Vielleicht kannst du Mutter ja dazu überreden, sich ein wenig auszuruhen. Sie erschöpft sich vollkommen, und das hat überhaupt keinen Sinn. Es gibt hier kaum etwas für sie zu tun. Jetzt, wo du hier bist, wird sie vielleicht gehen.«
    Ich zwang mich, zum Bett zu gehen, zwang mich, das Kind anzusehen, das in einem ruhelosen Halbschlaf dalag. Maeves Hände waren verbunden. Ich konnte nur raten, wie die Verbrennungen dort aussahen, die sie sich dabei zugezogen hatte, als sie das heiße Eisen anfasste. Aber der Verband von ihrem Kopf war gerade abgenommen worden, und ich sah, dass eine Seite ihres hellen Haars weggebrannt und das linke Augenlid schrecklich geschwollen war. Wimpern und Augenbrauen waren verschwunden. Eine schreckliche, nässende, rötlich braune Brandwunde breitete sich vom Auge bis hinter das kleine Ohr aus. Auf dieser Seite war ihr Gesicht schrecklich entstellt. Ich zwang mich dazu, weiter hinzuschauen. Ich beherrschte meine Miene. Nach einer Weile konnte ich wieder sprechen.
    »Ich werde eine Weile bei ihr sitzen, Tante Aisling. Du solltest dich lieber ausruhen. Eilis hat nach dir gefragt. Sie möchte dir unbedingt das kleine Tuch zeigen, das sie gesäumt hat. Sie ist sehr stolz darauf.«
    Aisling starrte mich an, der Blick in ihren blauen Augen starr. Einen Moment lang wusste sie wohl kaum, wen sie vor sich hatte.
    »Ich bleibe hier bei Maeve. Es ist alles in Ordnung, Tante. Du kannst gehen.« Ich setzte vorsichtig meine Kräfte ein, um meine Stimme überzeugender zu machen. Ich vermittelte ihr die Botschaft, dass sie mir trauen konnte. Innerlich schauderte ich über meine Heimtücke.
    Tante Aisling blinzelte und schien zu sich zu kommen. »Ich nehme an, das wäre ganz gut«, sagte sie zögernd. »Danke, Fainne. Muirrin, ich komme später zurück.«
    Lange Zeit saß ich einfach nur da und starrte das Kind an. Sie anzuschauen war eine Strafe für mich. Aber so schuldig ich mich auch fühlte, das würde nie das Unrecht wieder gut machen, das ich ihr angetan hatte. Wenn diese Menschen es wüssten, wenn sie begriffen, dass ich dafür verantwortlich war, würde ich wirklich ausgestoßen sein. Man würde mich hassen und verachten, wie man meine Großmutter gehasst und verachtet hatte. Ganz gleich, ob ich es

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