Das Kind der Stürme
vertrauten ihm. Es fällt einem Pony sehr schwer, von seiner Herde getrennt zu werden und sich unter Menschen aufhalten zu müssen, es ist anstrengend und erschreckend für ein solches Tier – ungefähr so, als würdest du dich von deiner Familie verabschieden müssen. Als gingest du an einen Ort, der so anders ist, als würde er sich in einer anderen Welt befinden. Sie sprechen davon, ein Pferd einzubrechen, es zu zähmen, damit es sich einen Sattel auflegen lässt und sich dem Willen seines Reiters unterwirft. Manchmal scheint das, was sie tun, recht grausam. Sie binden dieses Geschöpf an, zwingen es dazu, sich zu unterwerfen und die Herrschaft eines Menschen zu akzeptieren. Sie brechen seinen Willen. Das ist die einzige Möglichkeit, sagen die vom fahrenden Volk, wenn man möchte, dass das Pferd einem etwas einbringt. Niemand will ein Pferd haben, auf das man sich nicht verlassen kann.
Aber Darragh sprach nicht davon, ein Tier einzubrechen. Er hatte eine ganz andere Methode. Die anderen Männer fanden sie vielleicht etwas seltsam, aber sie kritisierten ihn nicht, denn es waren immer die Pferde, die Darragh gezähmt hatte, die am beliebtesten waren und auf dem Markt die besten Preise einbrachten.
Einmal schlugen sie ihr Lager am Fuß eines Hügels auf, und die Männer und Jungen gingen davon, um sich nach wilden Ponys umzusehen, in der Hoffnung, ein paar davon auf den Pferdemarkt im nächsten Herbst vorbereiten zu können. Die Ponys fraßen das fette Gras am Hügel. Sie waren unruhig, sie zuckten mit Ohren und Schweifen, als spürten sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie waren darauf vorbereitet, beim geringsten Anlass davonzurennen. Ihr Fell hatte die Farben der Landschaft, schwarz, grau, braun, die Farben von Stein und Flechten und Rinde. Aber eines fiel allen ins Auge. Es war eine Stute, die sich zwischen den anderen Pferden bewegte wie der volle Mond zwischen dunklen Wolken, ihr Fell so weiß und schimmernd, wie du es noch nie gesehen hast. Ihre Mähne und ihr Schweif waren wie die seidenen Fransen am Schal einer vornehmen Dame, üppig und glänzend.
›Die da gehört mir‹, flüsterte Darragh.
›Die da?‹, murmelte sein Vater, der mehr über Pferde wusste als alle anderen vom fahrenden Volk. ›Das glaube ich nicht. Sieh ihr in die Augen. Dieses Pferd ist verrückt. In diesen Augen stehen so viel Stolz und Zorn, dass du sie nie wirst brechen können. Eher wird sie dich umbringen. Such dir ein anderes Pferd aus.‹
Aber Darragh hatte sich entschlossen. Für gewöhnlich kehrten sie, nachdem sie die Pferde ausgewählt hatten, die sie mitnehmen wollten, mit ihren eigenen Tieren und den Hunden zurück und trieben die ausgewählten Ponys von der Herde weg in ihr Lager. Dort wurden sie in einen Pferch gesperrt und gezähmt, bis sie geritten werden konnten.
Darragh wusste, dass dieses weiße Pony anders war als die anderen. Er hatte dasselbe gesehen wie sein Vater: die Wildheit in ihren Augen, das Blähen der Nüstern, die stolze Haltung des schönen Kopfes. Sie war wie eine schöne Prinzessin aus den alten Geschichten, hochmütig und unnahbar und sehr eigensinnig. Und verängstigt. Sie hatte gespürt, dass er in der Nähe war. Dieses Pony konnte nicht einfach gepackt und weggetrieben werden, mit kläffenden Hunden auf ihren Fersen. Das würde sie nur wütend und widerspenstig machen. Diese Prinzessin konnte nur durch Liebe gezähmt werden.
Es war gut, dass das fahrende Volk den ganzen Sommer über sein Lager in dieser Gegend aufschlug, denn Darragh brauchte Zeit. Er sagte seiner Mutter, er würde ein paar Tage weg sein, und sie solle es auch seinem Vater ausrichten, aber noch nicht gleich. Dann ging er früh am Morgen den Hügel hinauf, als der Nebel noch in den Senken lag und nur die mutigsten Vögel bereits den ersten rosafarbenen Spuren der Morgenröte ihre Herausforderung entgegensangen. Er ging leise und allein, nur mit einem Halfter in der Tasche und einem Stück Brot und Käse in der Hand, Augen und Ohren offen. Das weiße Pony stand allein unter den Ebereschen. Sie träumte, und Darragh war so leise, als er zu ihr kam, dass sie keinen Laut hörte, bis er sehr nahe war und sich so still wie möglich auf einem Felsen niedergelassen hatte. Sie sah ihn an. Er regte sich nicht, obwohl es, um ehrlich zu sein, eiskalt war und es ihm schwer fiel, nicht zu zittern und zu beben. Aber er rührte sich nicht und achtete darauf, dass er nur das Gras oder die Bäume oder den Himmel ansah, der sich nun
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