Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
nur getan hatte, um zu verhindern, dass mein Vater litt oder nicht. Ganz gleich, ob ich eine Aufgabe von solch gewaltiger Größe ausführen musste, damit mein Leben wieder sein würde wie zuvor. Ich starrte Maeve an und wusste, dass ich ihre Zukunft gestohlen hatte. Was ich getan hatte, war genauso schlimm wie das, was Conor meinem Vater angetan hatte. Wenn Maeve überlebte, würde sie schrecklich aussehen. Ich hielt mich selbst für hässlich und ungelenk mit meinem fest gelockten Haar und meinem verrenkten Fuß, meiner Schlaksigkeit und meiner Schüchternheit. Aber meine Haut war glatt und hell, meine Hände waren geschickt und ohne Narben, und mein Körper war gesund, denn wie Roisin schon gesagt hatte, das bisschen Hinken zählte nicht. Ich war nicht verunstaltet. Jedenfalls nicht so. In diesem Augenblick schwor ich, nie wieder den Zauber zu nutzen, der mich schöner aussehen ließ. Ich würde der Göttin danken, dass ich so viel Glück hatte, und weiterhin nur ich selbst sein. Langsam ließ ich den Schleier des Hübschseins sinken und wusste, dass die Menschen an der Veränderung nichts Seltsames finden würden.
    »Sie wacht auf«, sagte Muirrin leise. »Diese Kräutertränke helfen ein wenig, aber die Wirkung hält nicht lange an. Wir haben alle nicht genug Schlaf bekommen. Sie hat schreckliche Schmerzen. Wirst du bei ihr bleiben, während ich die Verbände erneuere?«
    Ich nickte und zog mich ein wenig vom Bett zurück, damit Muirrin Platz hatte. Ich drückte Riona fest an die Brust und sah zu, wie das Kind erwachte, das gesunde Auge groß und rund, das andere wegen der Schwellung nur ein Schlitz. Ich sah zu, wie Muirrin ihre verbrannte Haut mit kühlem Kräuterwasser betupfte, lauschte, wie Maeves schwaches Wimmern zum quälenden Klagen wurde. Muirrin hatte eine Kompresse aus Zwiebelschalen auf die verbrannte Haut von Gesicht und Kopf gelegt und dort mit sauberem Leinen festgebunden. Ich hielt die Kompresse fest, während Muirrin die Knoten machte, und spürte wie Maeves leise Schreie durch meinen eigenen Kopf vibrierten, als wollten sie sich dort für immer niederlassen. Dann wurde die Bettwäsche gewechselt, während eine kräftige Dienerin das Kind so vorsichtig hochhob wie einen Topf mit rohen Eiern. Als Maeve wieder auf ihrem Strohsack lag und versuchte, etwas aus einem Becher zu nippen, den Muirrin ihr an die Lippen hielt, war mir kalt vor Entsetzen. »Maeve«, sagte Muirrin leise, »du hast Besuch. Fainne ist hier, um dich zu sehen. Hast du das bemerkt? Trink weiter, bitte trink alles davon, und dann wird sie eine Weile bei dir sitzen. Vielleicht erzählt sie dir sogar eine Geschichte.«
    Das Kind schluckte gehorsam und angestrengt. Dieser Kräutertrank würde ihr vielleicht wieder etwas Ruhe geben. Ich staunte über Muirrins Willenskraft. Sie weinte nicht vor Angst wegen ihrer eigenen Hilflosigkeit. Sie tobte nicht gegen die Götter an, weil sie ihre Schwester so niedergestreckt hatten. Sie brach nicht vor Erschöpfung zusammen oder fragte mich, wieso ich das Kind so lange nicht besucht hatte. Sie machte einfach still weiter mit dem, was getan werden musste, akzeptierte die Dinge so, wie sie waren, und nahm ihren Platz im weiteren Verlauf mit einer Entschlossenheit ein, die keine Zweifel aufkommen ließ. Und dennoch, es kam sie teuer zu stehen. Das konnte man an den Ringen unter ihren Augen erkennen.
    Maeve lehnte sich mit einem ächzenden Ausatmen, das ein Seufzen hätte sein können, in die Kissen zurück. Sie wandte mir den Blick zu.
    »Maeve«, sagte ich so ruhig ich konnte und setzte mich auf den Hocker neben ihrem Bett, »ich habe jemanden mitgebracht, der dich ebenfalls besuchen wollte.« Ich hob Riona hoch, so dass Maeve die buttergelben Locken, die klugen, dunklen Augen und den kunstvoll gestickten Mund der Puppe sehen konnte. Der rosafarbene Rock breitete sich auf dem steifen Leinen von Maeves Bettzeug aus. Das Kind verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln. »Gut«, sagte ich, »sie freut sich auch, dich zu sehen. Ich möchte dich um etwas bitten. Ich werde deinen Onkel Eamonn besuchen und eine Weile weg sein. Riona kann nicht mitkommen. Aber ich möchte sie hier nicht allein lassen, da wir uns hier noch nicht gut genug zurechtfinden. Ich hatte gehofft, dass du dich vielleicht um sie kümmern könntest, solange ich weg bin. Du musst ihr ein wenig Gesellschaft leisten, dafür sorgen, dass sie immer ordentlich frisiert ist, und vielleicht überlässt du ihr ja nachts eine Ecke von deinem

Weitere Kostenlose Bücher