Das Kind der Stürme
meine scheußliche, haarige Tatze blieb, wo sie war.
»Also gut«, sagte ich mit Tränen in den Augen. »Vielleicht wirst du das alles tun, vielleicht verwandelst du mich in ein Ungeheuer. Dann werde ich tun, was meine Mutter getan hat, und mein Leben beenden. Mir die Pulsadern aufschneiden. Vom Turm in Sevenwaters springen. In den See hinausgehen, bis sich das Wasser über meinem Kopf schließt. Und dann was?«
»Unerträgliches Mädchen! Dein Vater muss sich für vieles verantworten. Da.« Sie schnippte mit den Fingern, und mein Fuß hatte wieder seine frühere Gestalt. Ich kniff die Lippen zusammen und verkniff mir die dümmlichen Dankesworte, die mir in den Sinn kamen. Ich wollte sie nicht wissen lassen, wie nah ich daran gewesen war, aufzugeben, als ich sah, was sie mir antun konnte.
»Setz dich, Kind. Zieh dir die Decke über, es ist kalt. Ich sehe, dass du ein paar hübsche Dinge in deiner Truhe da hast. Gute Kleider. Das ist erfreulich. Du kannst einem reichen Mann nicht den Kopf verdrehen, wenn du aussiehst wie ein Fischweib. Und was für ein hübsches kleines Tuch mit all diesen Farben! Es kommt vom Markt des fahrenden Volkes, nicht wahr?«
»Das ist nichts.« Mit großer Anstrengung gelang es mir, mich gleichgültig zu geben. Ich glaubte zu wissen, was sie vorhatte. »Du kannst das alles haben, wenn du willst«, fügte ich hinzu. »Es bedeutet mir nichts.«
»Nein? Nun, für meinen Geschmack ist dieses Tuch ein wenig billig und schrill, Fainne; die Art von Kleinigkeit, die einer vom fahrenden Volk seinem Schatz schenken würde. Ich würde so etwas wohl kaum tragen.«
»Dumm von mir, es vorzuschlagen«, sagte ich, stand auf und begann, meine Sachen wieder in die Truhe zurückzulegen.
Hinter mir sprach meine Großmutter weiter. »Du willst also deinen Vater leiden und sterben lassen. Du willst zulassen, dass du in ein Ungeheuer verwandelt wirst. Deine eigene Zukunft ist dir gleich. Ich muss zugeben, das überrascht mich. Du bist nicht ganz das Mädchen, für das ich dich gehalten hatte. Aber du wirst mir nicht trotzen, Fainne.«
»Ich weiß nicht, was du meinst. Du kannst mich nicht zwingen zu tun, was du willst. Das geht nicht.«
»Ach ja? Was würdest du dazu sagen, wenn alle, die du liebst, alle, die du gern hast, einer nach dem anderen niedergestreckt werden? Was, wenn du zusehen müsstest, wie alles, was du gern hast, nach und nach zerstört wird? Und das alles, während du weißt, dass du jederzeit die Macht hättest, es aufzuhalten? Was dann? Würdest du immer noch nicht handeln, um sie zu schützen?«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, flüsterte ich, aber tiefstes Entsetzen breitete sich in mir aus, als ich zu begreifen begann, was sie meinte. »Ich habe niemanden. Ich empfinde für niemanden etwas, nur für meinen Vater. Und ich habe dir schon gesagt, dass ich weiß, was er von dieser Sache halten würde.«
»Oh, keine Angst, Ciarán wird weiterleben. Aber was die anderen angeht – das glaube ich dir nicht. Ich habe dich hin und wieder beobachtet. Ich habe deinen Blick gesehen. Ich habe zugesehen, wie du mit diesen Kindern spielst, wie du sie ins Bett bringst und tust, als würde es dich stören, wenn sie zu dir kommen. Ich sehe, wie deine Hände auf dem kleinen Geschenk deines Hausierers hier verweilen, als könntest du die Erinnerungen, die in diesen Falten stecken, nicht gehen lassen. Hab keinen Zweifel daran, Fainne – du wirst es alles sehen, einen quälenden Schritt nach dem anderen. Ein unglücklicher Sturz vom Pferd. Ein junges Mädchen, das in die falsche Gesellschaft gerät. Ein Eintopf, mit Pilzen zubereitet, die mörderische Folgen haben. Ein unangenehmer Unfall mit einem Angelhaken. Alles nur Unfälle und Zufälle. Du wirst vielleicht die Einzige sein, die davonkommt. Deine Aufgabe wird darin bestehen, zuzusehen, wie sie leiden. Und zu wissen, dass du es hättest aufhalten können. Zu wissen, dass ohne deinen Ungehorsam nichts davon hätte geschehen müssen.«
»Hör auf! Hör auf damit! Woher soll ich überhaupt wissen, dass du die Wahrheit sagst? Du könntest mich belügen. Vater ist vielleicht gar nicht krank. Ich könnte dir trotzen, und es geht ihm trotzdem gut.«
»Glaubst du wirklich?« Sie warf einen Blick zu meinem Fuß. »Wenn du das prüfen willst, werde ich dich nicht aufhalten. Du tust es auf eigene Gefahr. Und du hast Recht, du kannst nicht wissen, wie es deinem Vater geht. Nicht, solange du nicht nach Kerry zurückkehrst. Und wenn du das tust, kann
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