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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ich dir versichern, dass seine Knochen am Strand bleichen werden, bevor du eure kleine Bucht erreichst. Selbstverständlich könntest du immer noch einen Hausiererjungen mit einer Botschaft schicken.« Sie warf einen Blick zu der Truhe, wo der Schal nun ordentlich gefaltet lag. »Das könntest du machen. Aber wer weiß schon, ob er sicher dorthin gelangen wird, wenn die Straßen doch so gefährlich sind? Es kann durchaus sein, dass er für sein bisschen billiges Gepäck unterwegs umgebracht wird.«
    »Hör auf damit!«
    »Du hast noch viel zu lernen. Das Gute und das Böse, Schatten und Sonnenlicht sind nur um Haaresbreite voneinander entfernt. Am Ende ist alles eins. Und jetzt erzähl mir alles, was du getan hast, seit du hergekommen bist. Jede Einzelheit.«
    »Hast du mich nicht bei jedem Schritt beobachtet? Weißt du es nicht bereits?«
    Sie lachte leise. »Wohl kaum. Ich sehe Fragmente, ein wenig hier, ein wenig mehr dort. Teile eines Puzzlespiels. Ein Puzzle, das mich betrifft. Deshalb bin ich hier. Und jetzt erzähl es mir. Dann werden wir sehen, was als Nächstes kommt. Du hast Zeit verschwendet. Das wird nicht noch einmal geschehen, hast du verstanden?«
    »Ja, Großmutter.«
    Ich erzählte es ihr. Das Herz fest zusammengezogen vor Schmerz, den Kopf voll ungeweinter Tränen, erzählte ich ihr alles. Ich musste es tun, denn es war meine Schuld gewesen. Ich hatte gestattet, dass diese Menschen mir unter die Haut gingen. Ich hatte ihnen gestattet, mich zu bezaubern, und ich hatte angefangen, eine von ihnen zu werden. Und nun konnte ich nicht zusehen, wie jemand Sibeal oder Clodagh oder den anderen wehtat. Ich konnte nicht zusehen, wie Tante Aisling ein weiteres Kind verlor. Ganz besonders konnte ich nicht zulassen, dass meine Großmutter weiteres Interesse an Dan Walkers Familie entwickelte, wohin die Straße sie auch geführt haben mochte. Sie hatte mir eine sehr gute Falle gestellt, und ich war direkt hineingegangen.
    Zumindest war jetzt alles berichtet. Die Geschichte des Feuers – obwohl ich ausgelassen hatte, was ich über meinen Spaziergang im Wald mit Conor dachte und was ich am Samhainfest sonst noch erlebt hatte –, die Geschichte dessen, was ich Eamonn gesagt hatte, der Ereignisse in Glencarnagh und wie sich die Dinge zwischen uns entwickelt hatten. Ich sagte nichts von den Alten und so wenig über die Kinder wie möglich. Vor allem vermied ich, Sibeal und ihre seltsamen, klaren Augen zu erwähnen – die Augen einer Seherin.
    »Hm«, sagte Großmutter, als ich zu Ende gekommen war. »Du musst diesen Eamonn benutzen, das ist klar. Du musst es und wirst es tun. Ich kannte seinen Vater. Der da ist ihm ziemlich ähnlich. Ein sehr mächtiger Mann, Fainne und ein gefährlicher. Ein Mann ohne Ehre, ein Mann, der nicht zögern wird, seinem Bruder den Dolch in den Rücken zu stoßen, wenn das seinen Zwecken dient. Und ein Mann, der nie eine Beleidigung vergisst.«
    »Du irrst dich doch sicher.« So seltsam wie Eamonn mir manchmal vorkam, war es schwer zu glauben, dass ein so an die Konventionen gebundener Mann dermaßen rücksichtslos sein konnte. Hatte er nicht zu mir gesagt, dass er nie gegen die Regeln verstoßen hätte?
    »Glaub das nicht. Denn er ist die Lösung unseres Problems. Nutze seinen Hass. Benutze seine Begierde. Bring ihn dazu, dass er dich so sehr begehrt, dass er alles versprechen wird, was du von ihm willst.«
    »Das ist lächerlich. Eamonn könnte jede Frau haben, die er will. Er ist nur kurzfristig an mir interessiert. Er hat nicht vor, mich zu heiraten, da bin ich ganz sicher.«
    »Dann musst du seine Meinung ändern. Übernimm die Kontrolle. Benutze deine Fähigkeiten. Bewirke, dass er sich nach dir verzehrt.«
    »Das – das kann ich nicht. Ich schäme mich dafür, und es würde ihn erniedrigen. Es ist – es ist einfach ungerecht.«
    »Gerecht? Gerecht sagt sie?« Großmutter stieß ein weiteres, gackerndes Lachen aus. Ich fragte mich, wie lang es dauern würde, bis jemand sie hören und an die Tür klopfen würde, um zu fragen, ob alles in Ordnung war. »Vergiss Gerechtigkeit. Vergiss Ehre. Das sind bedeutungslose Konzepte. Es gibt nur eine Sache, die hier zählt, Fainne: Macht. Deine Macht über diesen Mann. Seine Macht, die Allianz zu brechen. Unsere Macht, das Feenvolk zu besiegen. Macht und Rache. Der Rest ist nichts.«
    »Ja, Großmutter.«
    »Und jetzt sag es mir noch einmal. Erzähl mir, was er über deine Tante Liadan gesagt hat. Und erzähl mir, was er über ihren Mann

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