Das Kind der Stürme
sagte.«
»Ich brauche es nicht zu wiederholen. Ich weiß, was getan werden muss.«
»Ha! Du? Das ist nach allem, was du dir bisher geleistet hast, ein wenig schwer zu glauben.«
»Ich weiß, was getan werden muss«, wiederholte ich grimmig. »Und du solltest jetzt lieber gehen, damit ich damit anfangen kann.«
»Was? Womit anfangen?«
Also beschrieb ich es ihr, einen unvermeidlichen Schritt nach dem anderen: eine Intrige, die sich von Eifersucht und Besessenheit nährte, die Heimtücke und Verrat benutzte, um ihr Ziel zu erreichen. Ich konnte kaum glauben, dass ich so etwas wirklich in Erwägung zog. Aber es schien keine andere Möglichkeit zu geben. Als ich fertig war, lächelte Großmutter mich an, kleine spitze Zähne in einem vom Alter faltigen Mund.
»Gut«, gurrte sie. »Sehr gut, Fainne. Vielleicht wird ja doch noch etwas aus dir, ganz gleich, wie wenig viel versprechend du aussiehst.«
»Großmutter, du musst dich darauf verlassen, dass ich es schaffe. Es ist nicht notwendig, dass du noch einmal zu mir kommst. Denn wenn du das tust, könnte es schwierig für mich sein, ihr Vertrauen zu bewahren.«
Sie bebte vor Heiterkeit. »Jetzt erteilst du mir also Befehle? Ich komme, wann ich will, Mädchen.«
»Du hast nicht zugehört. Ich gebe dir mein Wort. Ich werde tun, was du willst, solange – solange du nicht –«
»Die verletzt, die du liebst? O je, Liebe ist etwas so Verwirrendes für ein Mädchen, nicht wahr? Es ginge uns allen besser, wenn sie nicht existierte. Je eher dir das klar wird, desto einfacher wird das Leben für dich sein. Wähle dir nie einen Mann auf Grund von Liebe. Darin liegt keine Zukunft.«
»Du stimmst mir also zu? Traust du mir zu, dass ich es schaffe?«
»Zutrauen? Ha! Ich brauche eine Sicherheit. Und eins kannst du mir glauben, wenn es dir nicht gelingt, diesen Plan durchzuführen, wirst du drastischer vorgehen müssen. Ich lasse dir ein wenig Zeit, nur gerade genug. Aber ich will Fortschritte sehen, Fainne, ich will Ergebnisse. Du hast Recht, es ist nicht gut, wenn ich in diese Gegend komme. Trage das Amulett, dann weiß ich, dass du in Sicherheit bist. Nimm es nicht mehr ab. Niemals. Verstehst du?«
Sie starrte mich wieder an, als wollte sie tief in mich hineinschauen. Ich dankte der großen Göttin, dass es ihr nie gelungen war, die Gedanken eines anderen zu lesen oder ohne Worte mit einer anderen Person zu sprechen. Und sie konnte mich nur sehen, solange ich das Amulett getragen habe. Süße Brighid, genau so war es! Ich war so dumm gewesen. Ich war wirklich blind gewesen.
»Ja, Großmutter. Morgen Früh werde ich eine feste Schnur finden und das Amulett wieder umhängen. Das verspreche ich.«
»Ich hoffe, du lügst mich nicht an. Ich werde es wissen, wenn du dein Versprechen nicht hältst. Und es werden die anderen sein, die darunter leiden.«
Ich biss mir auf die Lippe und verkniff mir eine Antwort.
»Also gut«, sagte sie mit großer Geste. »Das war ein angenehmer kleiner Besuch. Sorg dafür, dass du alles richtig machst, Fainne. Erschrecke mich nicht noch einmal so. Wenn du mich enttäuschst, werde ich dir zeigen, wie erfindungsreich ich sein kann, das verspreche ich dir. Tu das Richtige, und es wird lange dauern, ehe du wieder von mir hörst.«
»Jawohl, Großmutter.«
»Dann lebe wohl.«
Ich sah zu, wie sie langsam im trüben Licht des Feuers und der einzelnen Kerze verblasste. Ich starrte hin, bis jede Spur der schrecklichen alten Frau verschwunden war. Selbst dann fuhr ich noch ein- oder zweimal mit der Hand durch die Luft, bevor ich wirklich glaubte, dass sie nicht mehr da war. Draußen war es jetzt dunkel. Das Abendessen war vorbei, die kleinen Mädchen machten sich sicher schon zum Schlafen bereit. Eamonn würde allein in der Halle vor dem Feuer sitzen, mit dem Weinkrug zur Gesellschaft. Vielleicht sollte ich heute Abend schon anfangen. Mein Herz bebte. Wie hatte ich auch nur für einen einzigen Augenblick glauben können, dass ich genügend Kraft hätte, um mich Großmutter zu widersetzen? Wie hatte ich mir einbilden können, dass ich meinen eigenen Weg wählen konnte, dass ich dem Licht entgegen streben konnte statt der Finsternis? Es gab keine Wahl für mich, und es hatte nie eine gegeben.
Und das Amulett! Wie dumm war ich gewesen, es nicht als den Hexenzauber zu erkennen, der es offensichtlich war? Trag es ständig. Es wird dich schützen. Ein Zauber, der aufs Mächtigste die Gedanken beeinflusste. Durch ihn konnte sie mich bewachen und mich
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