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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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angewidert ausgesehen, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was ich jetzt in seiner Miene las. Er machte zwei entschlossene Schritte ins Zimmer hinein, immer noch ohne etwas zu sagen, und kniff grimmig die Lippen zusammen. Dann zuckte ich schmerzerfüllt zusammen, als Eamonn meine Schultern fester packte und er erstarrte. Mein Onkel war nicht allein gekommen. Hinter ihm in der Tür stand eine Frau, die zuvor nicht zu sehen gewesen war, denn sie war ein kleines, schlankes Ding, das Sean kaum bis zur Schulter reichte. Einen Augenblick glaubte ich, Muirrin vor mir zu haben, und dann schaute ich noch einmal hin. Diese Frau hatte das gleiche dunkle, lockige Haar wie meine Cousine, ordentlich geflochten und aufgesteckt, aber ein paar Strähnen waren dem Zopf entflohen und ringelten sich um ihr zartes Gesicht. Sie hatte die gleichen seltsamen grünen Augen, die gleiche zierliche, schlanke Gestalt. Aber Muirrin hatte nicht einen solch üppigen, geschwungenen Mund – einen Mund, der für einen Mann beinahe unwiderstehlich sein musste. Und Muirrin hatte auch nicht diese Haltung von Autorität, denn die Frau, die nun vor mir stand, war beträchtlich älter, und als sie nun ins Zimmer trat und den Verschluss ihres Kapuzenumhangs löste, wirkte sie ebenso beeindruckend wie Onkel Sean – eine Frau, der alle sofort gehorchten, ohne dass sie auch nur zu fragen brauchte. Als Feindin würde sie Schrecken erregend sein. Ich zweifelte nicht daran, dass ich hier die einzige Schwester meiner Mutter vor mir hatte: meine Tante Liadan.
    »Ich – ich –« Eamonn, der auf das plötzliche Erscheinen meines Onkels überraschend gefasst reagiert hatte, schien nun überhaupt nicht mehr zu wissen, was er sagen sollte.
    »Eine kalte Nacht für einen Ritt«, stellte ich fest und legte einen Augenblick lang die Hand auf Eamonns Hand, dann bewegte ich mich von ihm weg, als er seinen Griff lockerte. »Ich nehme an, Ihr hättet nichts gegen einen Kelch Wein?«
    »Danke.« Liadan zumindest schien in der Lage zu sprechen, wenn die beiden Männer auch sprachlos waren. Sie kam auf mich zu, nahm ihren Umhang ab, legte ihn auf die Bank. Darunter trug sie Unter- und Oberkleid von ausgesprochen schlichtem Schnitt, eins in dunklem Grau, das andere in einem helleren Farbton mit einem Hauch von Violett darin. Trotz dieser strengen Kleidung war ihre Stimme freundlich, und sie sah mich ruhig aus großen grünen Augen an. Ich goss den Wein ein und reichte ihr einen Kelch, wobei ich mich sehr anstrengen musste, damit meine Hände nicht zitterten.
    »Wir hatten euch nicht erwartet«, sagte ich.
    Liadan warf Eamonn einen Blick zu und sah dann wieder mich an. Ihre Lippen wurden ein wenig schmaler. »Tatsächlich? Ich werde mich nicht entschuldigen; es kommt mir so vor, als wäre der Zeitpunkt unseres Eintreffens hervorragend gewählt gewesen. Wir werden dich und die Mädchen morgen Früh nach Hause zurückbringen. Es geht Maeve etwas besser, und sie sehnt sich nach ihren Schwestern.«
    »Ich – ich bin froh, dass es ihr besser geht.« Dann zwang ich mich weiterzufragen. »Was ist mit dem Mann, dem jungen Druiden, der verwundet wurde?«
    »Ich konnte seine Schmerzen ein wenig lindern, aber nicht einmal ein kräftiger junger Mann kann sich von solchen Wunden erholen. Ich habe ihm das erklärt. Conor hat ihn wieder mit in den Wald genommen.«
    »Das tut mir Leid.« Meine Stimme brach, und ihr Blick wurde schärfer. Die beiden Männer hatten sich weder geregt noch etwas gesagt. Die Spannung war beinahe mit Händen zu greifen. Dann hörte man schnelle Schritte, und Eamonns Diener war an der Tür, knöpfte sich das Hemd zu, strich sich durch das wirre Haar und stammelte Entschuldigungen. Eamonn gab barsche Anweisungen. Essen wurde vorbereitet, Schlafzimmer gerichtet, Pferde in die Ställe gebracht.
    »Es sieht so aus, als müssten wir über einiges sprechen.« Endlich bewegte sich Sean, aber nur, um die Arme zu verschränken und die Stirn zu runzeln. »Diese Angelegenheiten können nicht bis morgen warten. Ich möchte, dass die Mädchen mit mir kommen, sobald sie ihre Sachen gepackt haben.«
    »Es besteht doch sicher keine Notwendigkeit für solche Eile.« Ich kannte Eamonn gut genug, um zu hören, wie unbehaglich ihm zu Mute war, und zu sehen, wie sorgfältig er es vermied, Tante Liadan anzuschauen, als sie sich auf die Bank setzte und dabei trotz ihres schlichten Gewands aussah wie eine Prinzessin.
    »Ich habe nicht vor, länger als eine Nacht hier zu bleiben«,

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