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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Dann spuckte er direkt vor die Füße ihres Pferdes. Es war schockierend – eine Geste, die so gar nicht zu all dem passen wollte, was ich von dem Mann wusste, der sich zumindest äußerlich immer an die Regeln hielt. Liadan schwieg, dann wendete sie ihr Pferd und ritt davon, ohne auch nur einen einzigen Blick zurückzuwerfen.
    Es war seltsam. Wir ritten nach Osten durch Eamonns Gärten und Wälder, vorbei an seinen Feldern und Dörfern, und Sean und seine drei Männer ritten wachsam hinter und vor uns her, obwohl wir doch sicher nicht in Gefahr sein konnten, solange wir uns auf dem Gelände von Glencarnagh aufhielten. Erst als wir das Waldland hinter uns gelassen und uns auf offenerem Gelände befanden, bemerkte ich nach und nach, dass auch andere nicht allzu weit entfernt unterwegs waren, eine stetige unsichtbare Präsenz. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich dachte an Anderweltgeschöpfe, vielleicht Boten der Túatha Dé Danaan, die gekommen waren, um mich zu finden und meine Geheimnisse zu erforschen. Nach einer Weile zeigten sie sich, als könnten sie sich das erst jetzt leisten. Es waren sechs oder sieben, und sie sahen tatsächlich aus wie Geschöpfe aus einer alten Geschichte, denn sie trugen alle graubraune Kleidung, die gut in die Winterlandschaft passte, und über den Köpfen enge Kapuzen, die ihre Züge bis auf Augen, Nase und Mund verbargen. Es war nicht möglich, einen vom anderen zu unterscheiden. Und sie waren alle Krieger, alle mit Schwert und Dolch bewaffnet, und ein paar hatten auch Bögen oder Stäbe, Äxte oder Wurfmesser. Ich war beunruhigt, aber die anderen ritten weiter, als wäre die Anwesenheit dieser Furcht erregenden Gestalten nichts Ungewöhnliches, und ich begriff erst dann, dass es sich um die Leute meiner Tante handeln musste. Nun bildeten sie eine schweigende Mauer um uns, und Onkel Sean, der als Anführer der Eskorte plötzlich überflüssig geworden war, zügelte sein Pferd und ritt neben seine Schwester, die sich kurz vor mir befand.
    Ausgerechnet in diesem Augenblick entschied sich Eilis, etwas zu sagen.
    »Wenn wir das nächste Mal zu Onkel Eamonn gehen, werde ich dieses große schwarze Pferd reiten«, verkündete sie entschlossen.
    »Fainne«, sagte Deirdre, »wirst du Onkel Eamonn heiraten? Clodagh sagte, du würdest das tun.«
    »Das habe ich nicht getan!«, rief Clodagh. »Ich habe nur gesagt, wer würde schon Onkel Eamonn heiraten, wenn man jemanden wie Darragh haben könnte? Du hast nicht zugehört.«
    »Habe ich doch!«
    »Das reicht jetzt.« Sean musste die Stimme nicht heben, um sie zum Schweigen zu bringen. Deirdre verzog das Gesicht. Es gefiel ihr nicht, Unrecht zu haben.
    »Wer ist Darragh?«, fragte Liadan beiläufig. Niemand antwortete. Offenbar war die Frage für mich bestimmt.
    »Niemand«, murmelte ich.
    Liadan zog die Brauen hoch, als könnte sie diese Antwort nicht so recht akzeptieren. Wir ritten über einen schmalen Weg zwischen Felswänden. Die schweigende Eskorte ritt hinter uns, ihre Arbeit eine nahtlose Demonstration von Disziplin, die sie erreichten, ohne auch nur ein Wort zu wechseln. Ich brauchte die Frage nicht zu beantworten, denn nun mussten wir hintereinander herreiten. Als wir den Engpass verließen, war es Clodagh, die an meiner Stelle antwortete.
    »Darragh ist ein Junge aus den Geschichten, die Fainne über das fahrende Volk erzählt. Er reitet ein weißes Pony.«
    »Sie heißt Aoife«, warf Deirdre ein. »Die beiden sind vorbeigekommen, als wir in Glencarnagh waren. Wir hätten nie gedacht, dass es sie wirklich gibt, aber dann standen sie tatsächlich vor der Tür, um Fainne zu besuchen. Onkel Eamonn hat sie weggeschickt.«
    »Und er ist von so weit her gekommen, von – von …« Clodagh wusste es nicht mehr.
    »Caenn na Mara«, sagte ich grimmig.
    »Ich habe dem Pony eine Möhre gegeben.« Auch Eilis musste unbedingt etwas hinzufügen.
    Ich konnte das nicht so weitergehen lassen. »Er ist unwichtig«, sagte ich gereizt und spürte ebenso Sibeals Blick auf mir wie den von Tante Liadan. »Er ist nur ein Junge, den ich von zu Hause her kenne. Das ist alles. Aus Kerry. Die alte Frau, die in eurer Küche sitzt – ich glaube, sie heißt Janis –, ist irgendwie mit ihm verwandt. Er ist hergekommen, um sie zu besuchen.«
    Sean und Liadan wechselten einen Blick.
    »Das ist der Junge, der nach Sevenwaters gekommen ist, um nach dir zu fragen?«, fragte Sean. »Einer von Dan Walkers Leuten?«
    »Sein Sohn«, sagte ich.
    »Dan hat bei der Totenfeier

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