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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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mich vor und zurück und flüsterte: Es tut mir Leid, es tut mir so Leid. Aber ob ich mit meinem Vater sprach oder mit Darragh oder einfach mit mir selbst, hätte ich nicht sagen können.
    Mich solcher Schwäche zu überlassen war gefährlich. Es zeigte einen bemerkenswerten Mangel an Selbstdisziplin. Vater hatte nie zugelassen, dass solche Gefühle ihn überwältigten. Wie enttäuscht er wäre, wenn er mich sehen könnte! Und dennoch … dennoch hatte es diese langen Stunden gegeben, in denen er sich im Arbeitszimmer eingeschlossen hatte und mich nicht hereinlassen wollte. Hatte er dann mit einem komplizierten Aspekt unseres Handwerks gekämpft, oder war es um etwas ganz anderes gegangen? Manchmal hatte ich gesehen, wie er am Ende des Tages herauskam, und in seiner Miene hatte die gleiche Mischung aus Verwirrung und Selbstverachtung gestanden, wie ich sie jetzt auf meinen eigenen Zügen sehen konnte. Damals hatte ich das auf die großen Herausforderungen zurückgeführt, denen er sich als Zaubermeister stellen musste. Nun war ich plötzlich nicht mehr so sicher. Als Kind hätte ich damals alles getan, um ihm die Traurigkeit zu nehmen und dieses seltene Lächeln auf seine Lippen zu bringen, und dennoch, wenn er in dieser Stimmung war, wich er meinen Berührungen ebenso aus wie meinen besorgten Fragen. Später dann versuchte er, sein Bestes zu tun, um mich für sein abweisendes Verhalten zu entschädigen, erzählte eine Geschichte am Feuer oder lauschte geduldig, wenn ich berichtete, was ich an diesem Tag erlebt hatte. Ich hatte mich so danach gesehnt, seine Welt wieder in Ordnung zu bringen, und gleichzeitig gewusst, dass es unmöglich war. Damals schon hatte meine Liebe zu ihm mein Leben bestimmt, und so war es immer noch. Das war die stärkste Waffe, die Großmutter gegen mich ins Feld führen konnte, und sie band mich an eine Zukunft von Schatten und Verrat.
    Ich konnte Conor nicht entgehen. Er fand mich noch vor dem Mittagessen, als ich gerade etwas für Tante Aisling erledigte. Ich war in der Küche, wo es noch zwei andere Augen gab, die ich lieber gemieden hätte. Janis, Dan Walkers Tante, hatte nicht viel zu mir gesagt, seit ich aus Glencarnagh zurückgekehrt war, aber was sie ausgesprochen hatte, hatte mich mehr als nervös gemacht.
    »Ich wusste immer schon«, stellte sie fest, und der Blick ihrer dunklen Augen schien mich zu durchbohren, »dass deine Mutter den Ärger nur so herausfordern würde. Und das hat sie schließlich auch getan. Sieht so aus, als wärst du nicht anders.«
    »Wie meinst du das?«, fauchte ich, erzürnt über eine solch lächerliche Anklage.
    »Hat er dich gefunden?«, war ihre nächste Bemerkung.
    »Wer?« Ich starrte sie wütend an.
    »Was glaubst du wohl, von wem ich rede?«
    Ich schwieg einen Augenblick. Ich stellte fest, dass ich die Hände zu Fäusten geballt hatte, und zwang mich, die Finger wieder zu entspannen.
    »Ich hab ihn nicht gesehen«, sagte ich kühl.
    »Wolltest du nicht?«
    »Wieso ist das so wichtig?« Wie konnte sie es wagen, mich so zu verhören?
    »Mädchen, ich bin alt genug, um die Wahrheit ohne Angst aussprechen zu können. Vielleicht willst du nicht zuhören. Niamh hat nie zugehört, wenn das, was ich sagte, ihr nicht gepasst hat. Wenn du diesem Jungen das Herz brichst, dann wird dir das für immer Leid tun.«
    »Was für ein Unsinn«, sagte ich schaudernd, aber meine Stimme klang nicht mehr so fest. »Das hier hat nichts mit Herzen und dem Brechen von Herzen zu tun. Darragh ist – Darragh war mein Freund, das ist alles. Er ist jetzt weit weg. Er hat einen Schatz in Caenn na Mara, ein hübsches Mädchen, das alles über Pferde weiß und einen reichen Vater hat. Es ist … es ist sehr angemessen. Mit Herz hat das nichts zu tun, weder für ihn noch für mich.«
    Janis seufzte und lächelte, aber es war ein freudloses Lächeln. »Ich habe seinen Blick gesehen, Mädchen. Es kommt mir so vor, als wüsstest du gar nicht, was du da beiseite wirfst. Es kommt mir so vor, als wüsstest du überhaupt nicht, was du tust.«
    »Doch, ich weiß, was ich tue«, flüsterte ich und fragte mich, wieso ich überhaupt hier stand und ihr zuhörte und zuließ, dass sie mich mit ihren Worten so verletzte. »Gerade weil ich diese Dinge weiß und sehe, tue ich nur das, was ich tun muss. Es ist besser so. Besser für Darragh. Besser für alle.«
    Janis betrachtete mich forschend. »So funktioniert das nicht, Mädchen«, sagte sie leise. »Du kannst nicht anderer Menschen Leben

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