Das Kind der Stürme
oder ihre Gefühle bestimmen, wie es dir am besten passt. Du bist zusammen mit Darragh aufgewachsen, nicht wahr?«
Ich nickte.
»Mhm. Das hat er mir auch erzählt. Hat er je zugelassen, dass du seine Entscheidungen für ihn triffst?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nun dann.«
»Ich weiß, was das Beste für ihn ist«, sagte ich leidenschaftlich.
Janis streckte ihre knochigen alten Finger aus und nahm meine Hand. Ihre Berührung war überraschend sanft.
»Dir stehen viele Tränen bevor, Mädchen«, sagte sie.
Ich konnte nur nicken, denn ihre Worte erinnerten mich an das kleine Bild, das ich immer wieder sah, Nacht um Nacht, seit ich ein Mädchen in einen Fisch verwandelt und zugelassen hatte, dass ihre eigene Mutter sie mit einem Küchenmesser tötete. Ich sah ein Bild von mir selbst, wie ich mich so quälte, dass es mich beinahe zerriss.
»Ich kann nicht anders«, sagte ich erstickt, und dann floh ich.
Danach hatte ich mein Bestes getan, mich von Janis fern zu halten. Dennoch, manchmal schickte mich Tante Aisling mit einem Auftrag in die Küche, und es war unmöglich, dann nicht zu gehen, denn hier waren Tante Aislings Worte Gesetz. Also war ich nun in der Küche und richtete der Köchin aus, sie sollte ein paar Leute in den Stall schicken, um Hühner zu schlachten, und Janis saß still am Feuer und beobachtete mich. Und auf der anderen Seite der Feuerstelle saß Conor und tat das Gleiche.
»Ah«, sagte er lächelnd, »genau die Person, mit der ich sprechen wollte. Komm, Fainne, wir gehen ein wenig spazieren. Ich habe dir einen Vorschlag zu machen.«
Ich konnte mich nicht weigern. Ich nahm einen Umhang vom Haken neben dem Feuer, und Conor zog die Kapuze seines Druidengewands über den Kopf. Es hatte wieder geschneit, und wir hinterließen auf dem Weg zum Wald Spuren in dem jungfräulichen Weiß. In der Luft hing diese seltsame Art von Wärme, die für gewöhnlich ankündigt, dass es noch vor Einbruch der Nacht mehr Schnee geben wird. Ich wartete darauf, dass der Druide etwas sagte. Ich versuchte kurz, darüber nachzudenken, was er wohl fragen würde, um überzeugende Antworten in meinem Kopf formulieren zu können. Er würde mich vielleicht nach dem Feuer fragen und welchen Anteil ich daran gehabt hatte. Vielleicht würde er von Toten und Verletzten sprechen. Er würde mich vielleicht noch einmal fragen, warum ich nach Sevenwaters gekommen war. Vielleicht ging es auch um meine und Eamonns Hochzeitspläne, vielleicht wollte er mir sagen, wie unmöglich sie waren.
»Morgen feiern wir Meán Geimrhidh«, sagte Conor. »Du hast dich beim letzten Mal als fähige Helferin erwiesen, Fainne. Wirst du diese Pflichten diesmal wieder übernehmen?«
Ich rang nach einer Antwort. »Ich – ich kann mir nicht vorstellen, wieso du so etwas willst. Es wäre ganz und gar nicht passend.«
»Nein?«, fragte Conor lächelnd. »Und warum?«
Ich konnte wohl kaum die Wahrheit sagen: Dass so etwas einer Verhöhnung der Zeremonie gleich käme. In der Nacht von Samhain hatte ich so getan, als gehörte ich zur Familie, und daraufhin war Großmutter gekommen, und ich hatte das Feuer entfacht.
»Ich kann das nicht«, sagte ich schlicht. »Du weißt, dass ich dem Orden der Weisen niemals angehören könnte. Du wusstest, dass auch mein Vater nicht konnte, aber du hast ihn angelogen und ihn glauben lassen, es wäre möglich, all diese Jahre lang. Das war, als würde man jemandem ein wunderbares Geschenk versprechen, wenn er sich nur genug anstrengt, und es ihm dann, wenn er es sich endlich verdient hatte, wieder wegnehmen. Kein Wunder, dass mein Vater von dir immer noch mit solcher Bitterkeit spricht. Ich kann kein Druide sein, Onkel. Ich kann diese Dinge nicht tun. Ich bin dazu nicht gemacht.«
Es dauerte lange, bis Conor antwortete. Ich sagte mir, es würde mich nicht stören, wenn es ihn geärgert hatte; es war Zeit, dass er sich der Wahrheit stellte. Er setzte sich auf die Steinmauer nahe der Stelle, wo der Weg die ersten kahlen Bäume des Waldes erreichte. Ich blieb neben ihm stehen und schaute auf den See hinaus.
»Ich erinnere mich daran, wie dein Großvater diese Mauer neu gebaut hat, Stein um Stein«, sagte er schließlich. »Hugh von Harrowfield war ein weiser und geduldiger Lehrer. Er hat den Männern aus dem Dorf beigebracht, wie man diese Mauern richtig baut, aber er hat auch stets selbst mit angepackt; er hat immer unterrichtet, indem er sich selbst zu einem Beispiel machte. Es gibt einen bestimmten Trick bei diesen
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