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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Angst sie hatte, also tat sie, was er gesagt hatte. Sie ging hinaus in das schäumende Meer, bis sie tief im Wasser war und schrecklich fror; dann spürte sie Darraghs Arme unter ihren Armen und unter ihrer Brust, wie er sie festhielt, und dann bewegten sie sich durch das Wasser. Fainne hatte nie in ihrem Leben solche Angst gehabt. Manchmal spritzte das Wasser bis in ihren Mund und ihre Nase, und einmal ließ Darraghs Griff ein wenig nach, und sie wäre beinahe untergegangen. Das Wasser war eiskalt, und sie spürte die Macht des Ozeans, der sie auf und ab trug, auf und ab. Einmal wagte sie, die Augen zu öffnen und zurückzuschauen, aber dann kniff sie die Augen schnell wieder zu, denn sie waren weit, weit vom Ufer entfernt, so weit, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass Darragh jemals zurück an den Strand schwimmen könnte, und ganz bestimmt nicht, wenn er sie dabei noch mitschleppen musste.
    ›Sieh mal, Fainne‹, sagte Darragh plötzlich. ›Wir haben Gesellschaft. So was sieht man wirklich nicht oft.‹ Er klang ganz normal, überhaupt nicht wie ein Junge, der kurz vor dem Ertrinken stand. Er war nicht einmal außer Atem. Vorsichtig öffnete sie ein Auge ein kleines bisschen. Und da, direkt neben ihnen, links und rechts, schwammen große, schlanke Geschöpfe und begleiteten sie wie eine Eskorte. Es waren Selkies, die Kinder von Manannán mac Lir, die gekommen waren, um sie sicher an den Strand zu bringen. Sie spielten den ganzen Weg quer durch die Bucht um Darragh und Fainne herum, tauchten und umkreisten sie, tanzten im Wasser, und Fainne starrte sie wie gebannt an und vergaß darüber vollkommen ihre Angst. Endlich erreichten sie den glatten Felsen am anderen Ende der Bucht, und Darragh und Fainne kletterten aus dem Wasser, vor Kälte zitternd und von einem Ohr zum anderen grinsend. Die beiden Selkies schwammen zurück ins offene Meer, ohne ihnen auch nur einen weiteren Blick zu gönnen, aber für eine Weile konnte man sie noch sehen, wie sie einander spielerisch durch die Wellen jagten.
    ›Es heißt‹, sagte Darragh, ›dass Selkies zum Teil menschlich sind. Wusstest du das? Manchmal kommen sie an Land und werfen ihre Häute ab und verwandeln sich in Männer und Frauen, aber nur für eine Weile. Dann müssen sie zurückkehren. Das Meer ruft sie. Es ist ein Bann, der auf ihnen liegt. Das habe ich gehört.‹
    Fainne nickte, und dann gingen die beiden nach Hause, frierend, nass und müde, aber nicht unglücklich. Was Riona anging, so hatte sie ein unerwünschtes Bad genommen, aber vor dem Herdfeuer trocknete sie schnell genug wieder, und niemand erfuhr je, was sie von der ganzen Sache hielt, denn sie sprach nicht darüber.«
    Maeve seufzte zufrieden, und ich blickte auf und entdeckte Conor, der in der Tür zum Nebenzimmer stand.
    »Zweifellos eine wahre Geschichte«, erklärte er ernst, dann kam er herein, um Muirrin und Johnny zu begrüßen und dem Kind mit sanfter Hand über die Stirn zu streichen.
    »O ja«, sagte Maeve überzeugt, »Fainnes Geschichten sind alle wahr. Naja, vielleicht die über den Clurichaun nicht. Aber Darragh gibt es wirklich.«
    »Tatsächlich?« Johnny grinste und sah mich mit hochgezogenen Brauen an. »Er muss ein guter Schwimmer sein. Ich würde ihn gerne kennen lernen. Es ist sicher nützlich, mit einem Mann wie ihm befreundet zu sein.«
    »Nun, es ist recht unwahrscheinlich, dass ihr euch begegnen werdet«, sagte ich kühl. »Er wohnt jetzt weit weg von hier im Westen. Und die Geschichten sind nicht ganz wahr und nicht ganz unwahr.«
    »So ist es mit den besten Geschichten immer«, sagte Conor. »Ich nehme an, du hast das Geschichtenerzählen von deinem Vater gelernt«, fügte er rasch hinzu. »Er hatte die gleiche Fähigkeit, uns alle mit Worten in seinen Bann zu schlagen.«
    »Entschuldigt mich.« Ich sprang auf und murmelte etwas darüber, noch zu tun zu haben, und floh. Als ich sicher in meinem Zimmer war, versuchte ich verzweifelt, mich zu beruhigen, stellte mich vor den Spiegel und beschwor meine Magie herauf. Aber ich war zu durcheinander und zu traurig und konnte dem Spiegelbild meines eigenen Gesichts nicht entkommen, das gequält und grimmig zurückstarrte. Am Ende gab ich auf. Ich öffnete meine Truhe, wühlte darin herum und holte das Seidentuch heraus, das ich einmal vor langer Zeit, in einem anderen Leben, getragen hatte, um zum Pferdemarkt zu reiten. Ich saß auf dem Boden mit diesem Hauch von Sommerfarben um meine Schultern, schloss die Augen fest, wiegte

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