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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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wo sie unerwünscht ist. Eine solche Gabe bringt große Verantwortung mit sich. Man kann sie nicht einfach benutzen, wie man will. Nur wenn sie glaubte, dass einer von uns in tödlicher Gefahr ist, wäre sie vielleicht versucht, ihre Fähigkeiten auf diese Weise einzusetzen.«
    Das beruhigte mich ganz und gar nicht. »Ich verstehe. Vielleicht werde ich mit ihr sprechen. Muss diese Angelegenheit denn wirklich in einem Familienrat besprochen werden, vor allen hier, Conor und den andern?«
    Onkel Sean nickte ernst. »Ich glaube schon, Fainne. Wir müssen unsere Antwort an Eamonn sehr sorgfältig formulieren. Er ist ein einflussreicher Mann, wir können es uns nicht leisten, ihn zu verstimmen.«
    ***
    Ich hatte Conor seit der Zeit des Feuers nicht mehr gesehen. Er hatte mich nicht mehr gesehen, seit er den alten Druiden nach Hause gebracht hatte, um ihn in der Stille unter den großen Eichen zur Ruhe zu betten. Ich wusste nicht, was ich zu Conor sagen sollte. Es kam mir so vor, als stünde mir meine Schuld deutlich ins Gesicht geschrieben, zumindest für einen, der wusste, wie man solche Dinge deutete. Es kam mir so vor, als müsste sich der böse Geist, den ich von Großmutter geerbt hatte, deutlich in meinen Augen zeigen, zumindest einem so fähigen Mann wie dem Erzdruiden.
    Ich saß gerade bei Maeve und erzählte ihr eine Geschichte. So sehr ich mich auch anstrengte, Ausreden zu finden, konnte ich doch ihren wiederholten Bitten, sie zu besuchen, nicht entgehen, und sobald ich einmal im Zimmer saß, musste ich ihr auch etwas erzählen. Diesmal hatte ich eine Geschichte von zwei kleinen Freunden begonnen, die beinahe von den Gezeiten überrascht worden wären. Maeve und ich waren nicht allein; Muirrin war mit Mörser und Stößel beschäftigt, und der dunkelhäutige junge Mann befand sich im Nebenzimmer und kümmerte sich um einen Mann, der eine hässliche Risswunde am Hinterteil hatte. Es gab im Wald Wildschweine, und dieser Mann hatte bei dem Versuch, einen besonders schönen Keiler für das Mittwinterfest mit dem Speer zu erledigen, Pech gehabt. Der Zahn hatte eine saubere Wunde verursacht; Evan redete beruhigend auf den Mann ein, während er die Wunde nähte. Vor dem kleinen Feuer stand Johnny. Er war hereingekommen, nachdem ich angefangen hatte, und ich hatte aufhören wollen zu erzählen, denn ich wollte ihn nicht so viel über mich wissen lassen. Aber Maeve sagte mit ihrer höflichen leisen Stimme: »Bitte erzähl weiter, Fainne, bitte«, und Johnny lächelte entwaffnend, und ich fuhr fort.
    »Nun, was sollten sie also tun? Die Wellen wurden höher, es wurde immer dunkler draußen, und vom Strand war nur noch ein winziger Streifen Sand übrig, kaum breit genug für Fainnes Füße. Sie hatte schreckliche Angst, aber das wollte sie Darragh nicht verraten, also sagte sie kein Wort, sondern packte nur Riona fester, schaute auf das Wasser hinaus, das immer näher kam, und spürte den steilen Felsen in ihrem Rücken, den sie unmöglich hätte hinaufklettern können.«
    Maeve beobachtete mich ernst. Sie trug immer noch einen Verband um den Kopf, aber zumindest das Auge war geheilt und die Schwellung abgeklungen, und sie konnte immer noch so gut sehen wie zuvor. Ihre Hände waren verbunden. Ich wusste, dass Muirrin die Leinenstreifen zweimal täglich wechselte und Maeve dazu brachte, ihre Finger zu bewegen. Ich hatte gehört, wie Maeve vor Schmerzen weinte, wenn sie die verbrannte Haut spannte. Muirrin selbst kam nach diesen Übungen auch immer mit roten Augen aus dem Zimmer.
    »Dann sagte Darragh: ›Wir müssen schwimmen. Es ist nicht so weit – nur bis zu diesem Felsen dort, und von da aus können wir zum Kai klettern. Gib mir Riona, ich werde sie tragen.‹ Und Fainne sagte leise: ›Ich kann nicht schwimmen.‹
    Darragh, der schon bis zu den Fußknöcheln im Wasser stand, starrte sie verblüfft an, dann sagte er: ›Ich kann dich ja wohl kaum ertrinken lassen, wie? Glaubst du, du könntest dich auf dem Rücken treiben lassen, ohne Angst zu bekommen? Ich werde für uns beide schwimmen. Wir müssen allerdings erst ein Stück weit nach draußen gelangen, die Wellen kommen schnell.‹ Bei diesen Worten steckte er Riona schon in seinen Gürtel und watete ins Wasser hinaus. Die Wellen reichten nun bis an die Klippe, und Fainne spürte das Wasser an ihren Knien und wie es an ihrem Rock zerrte. Schon der Gedanke daran, tiefer hineinzugehen, ließ sie am ganzen Körper zittern. Aber sie wollte Darragh nicht zeigen, welche

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