Das Kind der Stürme
Mauern, ein bestimmtes Wissen. Man muss die Steine der Länge nach verlegen, und zwar so, dass ihr längster Teil genau horizontal zu liegen kommt. Auf diese Weise stützen sie einander und brechen unter Druck nicht zusammen. Diese Steine sind wie eine große Familie; die starken stützen die schwachen, aber jeder spielt seine eigene Rolle dabei, dass das Große und Ganze Bestand hat.«
Ich sagte nichts dazu. Das, was er mir da erzählte, war offenbar eine Art Lehrfabel.
»Was du gesagt hast, stimmt nicht, Fainne«, sagte Conor nun ernst. »Ich verstehe, wieso du so denkst, denn das ist es, was auch dein Vater glaubte: dass man ihm die Mächte des Lichts verboten hat, die höheren Übungen des Handwerks, weil er der Sohn einer Zauberin war. Nachdem er diese Idee erst einmal in seinem Kopf hatte, war sie nicht mehr zu erschüttern. Ich habe versucht, es ihm auszureden, als er an diesem Abend ins Haus kam und wir ihm die Wahrheit über seine Herkunft mitteilten. Aber er wollte nicht zuhören.«
»Wie kann das falsch sein? Wir haben schlechtes Blut. Ganz gleich, wie sehr wir uns anstrengen, alle unsere Entscheidungen führen in die Finsternis. Das kann man nicht beherrschen. Ich weiß es.«
Conor seufzte. »Du bist sehr jung, Fainne. Wie kannst du das mit solcher Sicherheit verkünden?«
»Weil – weil genau das Gleiche mit mir geschieht«, flüsterte ich. »Es wäre sinnlos, so zu tun, als wäre es anders.«
»Das kann ich nicht glauben, Kind.«
»Es stimmt, Onkel. Es geht nicht nur um das, was mein Vater geglaubt hat oder nicht. Es ist eine alte, alte Geschichte. Es ist unsere Geschichte. Wir stammen von einer der Túatha Dé ab, vom Feenvolk, von einer, die ausgestoßen wurde, weil sie eine finstere Form des Handwerks praktizierte. Sie hat etwas Böses heraufbeschworen und auf die Welt losgelassen, also hat das Feenvolk sie verbannt und ihr die höhere Magie verboten. Und das Gleiche gilt für alle ihre Nachkommen.«
Nun sah Conor mich wirklich sehr interessiert an. »Eine interessante Geschichte«, sagte er, »aber dennoch nur eine Geschichte. Wo hast du das gehört, Fainne?«
»Mein – mein Vater hat es mir erzählt.«
»Und ich frage mich, wo er es gehört hat. Man kann sich entscheiden, solche Geschichten zu glauben oder nicht. Aber ich werde dir ein Gegenargument liefern, das dich überzeugen wird, denn es basiert auf einer erwiesenen Tatsache.«
Ich wartete.
»Sag mir, hast du je gesehen, dass Ciarán die Magie zu einem bösen Zweck eingesetzt hat?«
»Nein«, antwortete ich widerstrebend. »Aber das ist etwas anderes. Vater hat eine Entscheidung getroffen. Das hat er mir gesagt. Er sagt, die von unserer Art werden zum Bösen hingezogen. Aber man kann sich immer noch entscheiden, das Handwerk nicht zu nutzen.«
Conor nickte ernst. »Also benutzt er seine Fähigkeiten überhaupt nicht?«
Ich verzog das Gesicht. »Er übt – was, das weiß ich nicht. Vielleicht nur um der Herausforderung willen, und damit er etwas zu tun hat. Er hat mir das eine oder andere vorgeführt, wenn es für meinen Unterricht notwendig war. Aber einmal hat er es auch wirklich eingesetzt.« Ich warf dem Druiden einen Blick zu. »Er hat die Leute aus dem Dorf in der Bucht gerettet, als die Nordmänner kamen. Sie erzählen immer noch davon.«
»Also«, sagte Conor, »hat er Magie angewendet, um etwas sehr Gutes zu tun.«
»Es sind Leute umgekommen«, sagte ich. »Da war dieser blonde Krieger, der zusammen mit den Resten der Langschiffe an den Strand gespült wurde.«
»Es ist eine komplizierte Sache. Manchmal ist es schwer, das Gute vom Bösen zu trennen, Fainne, und du bist noch jung und hast kaum mit deiner Ausbildung begonnen.«
»Was soll das heißen?«, fauchte ich; ich war ein wenig beleidigt, dass er mich als Anfängerin betrachtete.
»Wir haben von deinem Vater gesprochen, aber was ist mit dir? Du sagst, du kannst wegen dem, was du bist, nur den Weg in die Finsternis einschlagen. Ich sage dir, das ist falsch. Du hast eine Wahl. Ja, du bist die Enkelin einer Zauberin. Aber deine andere Großmutter war meine Schwester Sorcha, die sie manchmal die Tochter des Waldes nennen. Sie war die stärkste Frau, die man sich vorstellen kann, eine Person mit großem Herzen und reinem Geist. Sie wurde in diesem Haushalt und dieser Gemeinde sehr geliebt. Dein Großvater Hugh von Harrowfield war ein standfester, bewundernswerter Mann, Brite oder nicht. Auch sein Erbe trägst du in dir, Fainne. Du bist eine von uns, ob du das
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