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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Großmutter auf keinen Fall erfahren durfte.
    An diesem Abend löschte ich das Feuer in meinem Zimmer und saß schaudernd im Licht einer kleinen Kerze, während die Schatten im Rhythmus meines klopfenden Herzens über die Wände tanzten. Es schneite draußen, und es war vollkommen still. Ich hatte geglaubt, keine andere Wahl zu haben als zu tun, was Großmutter wollte: eine schreckliche Aufgabe von gewaltigen Ausmaßen zu bewältigen. So unmöglich das auch schien, ich hatte geplant, es zu tun, denn ich hatte Angst gehabt, und vor allem hatte ich geglaubt, dass ich früher oder später ohnehin nichts anderes tun könnte, als ihrem Willen zu folgen und damit den Weg des Bösen zu beschreiten, an den mein verfluchtes Blut mich band. Das war erschreckend, aber auf gewisse Weise auch einfach, denn es war unvermeidlich und ich selbst hatte keinen Einfluss darauf.
    Aber ich hatte mich geirrt. Die Macht des Amuletts hatte meinen Geist verwirrt und meine Fähigkeit, vernünftig zu denken, eingeschränkt. Großmutter hatte mich allem gegenüber blind gemacht, was sie mich nicht hatte sehen lassen wollen. Mit Hilfe des Amuletts hatte sie ihre bösen Taten begangen und mich glauben lassen, dass es meine eigenen waren. Eine wahrhaft mächtige Zauberin! Aber vielleicht doch nicht ganz so mächtig. Sie hatte nie erklärt, warum sie das Kind der Prophezeiung nicht einfach selbst töten und diese Sache ein für alle Mal zu Ende bringen konnte. Sie hatte nur gesagt, die Ereignisse müssten den uralten Prophezeiungen entsprechen. Und in dieser Nacht, in der ich das Amulett abgenommen hatte, war sie sehr schnell da gewesen, um herauszufinden, was geschehen war. Sie hatte wirklich Angst vor mir gehabt, Angst davor, was ich tun könnte, wenn ich ihrer Herrschaft entkam. Ereignisse von großer Bedeutung, hatte Vater gesagt, und etwas darüber, dass ich herausfinden müsste, worin meine Aufgabe auf dieser Welt bestand. Nun, es sah so aus, als wüsste ich das nun, obwohl ich bei dem Gedanken daran zitterte. Ich würde Vater sein Leben zurückgeben. Ich würde ihm zeigen, dass die von unserer Art tatsächlich nach dem Licht streben konnten. Ich würde dafür sorgen, dass diese Menschen nicht ihrer Gelegenheit beraubt wurden, ihren Kampf zu gewinnen und die Inseln zu erobern. Das schreckliche Unrecht, das ich begangen hatte, würde ich damit allerdings auch nicht wieder gutmachen können. Die Vergangenheit konnte nicht verändert werden. Aber wenn ich es wagte, konnte ich von nun an einen anderen Weg gehen. Es wäre ein Weg der Angst und des Opfers, aber vielleicht auch mit der Zeit ein Weg der Erlösung. Lady Oonagh war stark. Ich musste stärker sein als sie.

KAPITEL 11
    Ich begann hektisch nachzudenken. Großmutter würde sofort nach Sevenwaters kommen, wenn sie glaubte, dass das alles zu langsam ginge oder dass ich überhaupt irgendwelche Zweifel hatte. Ich musste rasch handeln. Ich musste ihrem Besuch zuvorkommen. Ich musste sie selbst hierher beschwören, obwohl mich die Aussicht, dass sie sich auch nur in der Nähe von Sevenwaters aufhalten würde, entsetzte. Ich würde die Kontrolle übernehmen; ich würde meine Fortschritte demonstrieren. Ich wollte, dass sie keinerlei Zweifel daran hatte, dass ich immer noch ihre Marionette war und tun würde, was sie wollte. Es war ein gefährlicher Weg, den ich da einschlug; niemand durfte die Wahrheit erfahren. Dank der Göttin war Darragh in Caenn na Mara in Sicherheit, denn das war doch bestimmt weit genug entfernt, dass Großmutter ihn einfach vergaß. Was Vater anging – er traute mir zu, meine eigenen Entscheidungen zu fällen, und obwohl dies die schwierigste Entscheidung meines Lebens war, trafen darauf dieselben Regeln zu wie auf alle anderen. Er hatte mich erzogen, auch ohne Hilfe zu handeln, und ich würde mich seines Unterrichts als würdig erweisen.
    Ich musste einen Grund finden, Großmutter nach Sevenwaters zu rufen, und ihr dann einen Erfolgsbericht abliefern, der sie zufrieden stellen würde. Ich würde ihr sagen, dass ich vorhatte, für Eamonn zu spionieren und die Informationen zu finden, die er brauchte, um seinen alten Feind zu töten – Tante Liadans Mann. Dazu brauchte ich noch ein paar Neuigkeiten für sie, um zu beweisen, dass ich nicht untätig gewesen war. Wie hieß der Mann noch? Bran? Aber ich konnte nicht spionieren, solange ich mich nicht verändern konnte. Es war Zeit weiterzuüben.
    »Gut«, sagte eine seltsame leise Stimme direkt hinter mir. Ich erstarrte

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