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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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wo drei uralte Steine oben auf einer leichten Erhöhung standen. Auf einem davon wuchs eine Kruste aus braunen Flechten, die mich an dieses seltsame felsenähnliche Geschöpf erinnerte, das mir einmal von uralten Pakten und künftigen Wegen erzählt hatte. Ich stieg vom Pferd und ließ es bei den anderen. Johnny ging voraus, ich folgte, und meine Schritte waren trotz meines Fußes und des steinigen Bodens nicht so unsicher wie die seinen. Dennoch, er ging weiter und sprach kein Wort, aber ich konnte in seinem Atem hören, wie er sich lautlos gegen alles stemmte, was dieser grässliche Schmerz ihm verursachte. Ich fragte mich in diesem Augenblick, warum Großmutter den Zauber nicht noch steigerte und das Kind der Prophezeiung ein für alle Mal tötete. Das würde sicher einfacher sein als das grausame Spiel dieser Prüfungen. Sie brauchte mich nicht, um alle Hoffnung von Sevenwaters auf den Sieg zum Erlöschen zu bringen. Johnny war bereits dem Tod nahe, und ohne Johnny konnte der Kampf nicht gewonnen werden. Wir blieben im Schatten der uralten Steine stehen, auf der Ostseite, wo man uns vom Weg aus, wo die Männer warteten, nicht sehen konnte. Mein Vetter zog seine Maske ab. Ich sah ihn an, er sah mich an. Sein Gesicht war bleich, seine Augen glitzerten vor Schmerz und Entschlossenheit. Es gibt hier etwas, das sie nicht besiegen kann, dachte ich. Vielleicht ist es einfach nur Mut, vielleicht ist es mehr; eine Magie, die älter und tiefer ist als ihre eigene, eine Macht, die seine Schritte behütet, die ihn auf das Schicksal zuführt, das ihm vorherbestimmt ist. Johnny holte schaudernd Luft, und in diesem Augenblick verschwand die pulsierende Hitze des Amuletts plötzlich, und es war nur noch ein schlichtes Metalldreieck an einer Schnur um meinen Hals. Großmutter hatte sich zurückgezogen, und der Zauber lag immer noch auf ihm.
    »Ich glaube nicht«, sagte Johnny, mit einer Stimme, die ein einziger Hauch des Schmerzes war, »dass du wirklich verstehst, was du hier tust.« Seine Hand, die er an den verwitterten Stein gelegt hatte, um sich zu stützen, war an den Knöcheln weiß.
    Ich holte tief Luft. »Wie meinst du das?«, fragte ich.
    »Sag mir«, brachte er mühsam heraus, »wie lange es noch dauern wird? Nicht um meinetwillen; wir sind ausgebildet, so etwas zu ertragen. Aber ich möchte nicht, dass meine Mutter sich Gedanken macht.«
    Ich starrte in sein bleiches schweißnasses Gesicht mit dem Rabenmuster, ein Gesicht, in das deutlich der Mut geschrieben stand, und das war immer noch so. Er glaubte, ich hätte es getan! Er glaubte, ich wäre verantwortlich für diese Grausamkeit hier. Kein Wunder, dass er nichts gesagt hatte. Und nun war Großmutter weg, und sie hatte ihn nicht befreit. Mit einem Murmeln und einer Handbewegung kehrte ich den Zauber um. Erst jetzt verlor er einen Augenblick lang beinahe die Kontrolle. Er stieß den Atem aus und sackte zu Boden, mit dem Rücken gegen den Stein, die Augen geschlossen. Was mich anging, so war ich sofort vollkommen erschöpft und musste mich neben ihn setzen. Der Himmel war klar, der Wind frisch und sauber. Vögel kreisten schreiend über uns. Es schien irgendwie alles falsch zu sein, als wären wir vollkommen fehl am Platz. Diese Dinge gehörten zu einer längst vergangenen Zeit, einer Zeit der Unschuld, nicht hierher, wo es nur Gefahr und Schwierigkeiten, Schmerz und Angst gab.
    »Du musst verstehen«, sagte Johnny nach einer Weile, als er die Augen wieder geöffnet hatte, »dass ich einen Krieg vor mir habe, dass ich etwas erreichen muss, und nichts wird mich aufhalten. Nichts.« Seine Stimme war ein leidenschaftliches Flüstern, beinahe erschreckend in seiner Entschlossenheit. Wenn ich je daran gezweifelt hatte, dass er der Held war, von dem die Prophezeiung sprach, dann war das jetzt nicht mehr der Fall.
    »Ich war für diese Sache nicht verantwortlich«, sagte ich bebend. »Aber ich erwarte nicht, dass du mir glaubst.« Mehr konnte ich ihm nicht sagen. Ich hatte bereits die Prüfung, die Großmutter mir auferlegt hatte, nicht bestanden; sie hatte mir keine andere Wahl gelassen, als mich einzumischen. Ich würde es nicht wagen, ihm mehr zu sagen.
    »Aha«, sagte mein Vetter in einem Tonfall, der alles hätte bedeuten können.
    »Warum hast du mich mitgenommen?«, fragte ich ihn.
    Er öffnete die Augen, und es gelang ihm, ein wenig zu lächeln. »Ich habe meine Mutter überstimmt«, sagte er zittrig. »Sie wollte dich nicht in Inis Eala. Was die Gründe angeht, die

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