Das Kind der Stürme
weiter, und ich dachte darüber nach, wie seltsam es war, dass ausgerechnet der Mann, den ich im Auftrag meiner Großmutter töten sollte, nun derjenige sein sollte, der mich schützte. Er führte seinen eigenen Tod mit sich und bewachte ihn so sorgfältig wie den kostbarsten Schatz. Es war gut, dass er so stark war, denn wenn Großmutter ihren kleinen Plan ausführen würde, würde ihn das viel kosten. Großmutters meisterhafte Fähigkeiten, was solche Zauber anging, wurden nur noch von ihrem vollkommenen Mangel an Skrupeln übertroffen. Sie hatte den Tod vieler bedauernswerter kleiner Geschöpfe verschuldet, nur um den einen oder anderen Zauber für mich zu demonstrieren. Sie hatte gleichgültig meine eigenen Qualen mit angesehen, wenn sie mich mit Glasmessern im Kopf und mit bizarren Schwellungen der Zunge oder der Kehle, mit grausamen Veränderungen der Sehkraft oder des Hörvermögens bestrafte. Und sah sie jetzt nicht in aller Ruhe zu, wie ihr eigener Sohn langsam dahinsiechte? Großmutter würde unser Handwerk kühl und wirkungsvoll gegen meinen Vetter einsetzen. Ich hoffte nur, dass sie nicht zu lange damit fortfahren würde.
Inzwischen wusste ich, wie ich Johnny unter unseren identisch maskierten Wachen in ihren schlichten Gewändern erkennen konnte. Er war der kleinste von ihnen, nicht wesentlich größer als ich selbst, und sein Rücken war so gerade wie der eines kleinen Kindes; er hielt den Kopf, den Hals und die Schultern sehr aufrecht. Hin und wieder wechselten sie die Pferde, aber ich kannte ihn nun. Während wir weiter nach Norden ritten, zum abgelegensten Ufer von Ulster, beobachtete ich ihn und dachte bald, sehr bald, würde er das Pferd zügeln und absteigen oder unter Krämpfen aus dem Sattel fallen müssen. Ich kannte den Zauber; sie hatte ihn einmal gegen mich verwendet. Selbst der stärkste Mann konnte das nicht lange ertragen.
Die Hügel und Täler, die verborgenen Bäche und das neblige Waldland zogen weiter stetig an uns vorbei. Vor mir ritt mein Vetter, so aufrecht wie eh und je, die Hand an den Zügeln entspannt. Ich hielt nach Zeichen von Krankheit Ausschau, aber nichts war zu sehen. Tatsächlich fragte ich mich bei Einbruch der Dunkelheit, ob das Kind der Prophezeiung vielleicht irgendwie gegen diesen Zauber geschützt war, vielleicht von jenen Mächten des Waldes, die Großmutter so hasste. Ich spürte die Hitze des Amuletts an meiner Haut und wusste, dass Großmutter in der Nähe war; das kleine Dreieck schien besser als je zuvor auf sie eingestimmt und brannte eine klare Botschaft in meine Haut: Sie beobachtete mich, sie beobachtete Johnny, und sie prüfte uns beide.
Wir schlugen unser Nachtlager in den Überresten eines alten Hauses auf, wo halb eingestürzte Steinmauern, ein paar Balken und der Rest eines Strohdachs ein wenig Schutz gegen die Winterkälte boten. Die Männer nahmen ihre Kapuzen ab und aßen ein kärgliches Mahl. Johnny wirkte ein wenig blass, und ich sah nicht, dass er etwas aß, aber seine Stimme war fest, er lächelte über die Witze der Männer und wünschte uns höflich eine gute Nacht, bevor er sich zurückzog, um seine Wache zu übernehmen. Es schien alles in Ordnung mit ihm.
Wir würden die Küste in anderthalb Tagen erreichen, sagte Liadan, als wir am nächsten Morgen aufbrachen. Von dort aus würde ein Boot uns zur Insel bringen. In ihrer Stimme lag so etwas wie eine freudige Vorahnung; sie konnte nicht verbergen, wie sehr sie sich danach sehnte, dass wir unser Ziel endlich erreichten. Sie fragte ihren Sohn nicht, ob es ihm gut ging, und ich tat es ebenfalls nicht.
Ich beobachtete meinen Vetter, als der Weg steil und gefährlich wurde. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, ganz gleich, ob er vor uns, an unserer Seite oder hinter uns ritt, und immer noch hielt er sich aufrecht und stolz, und sein Pferd bewegte sich stetig weiter. Das Amulett brannte. Großmutter beobachtete mich, beobachtete ihn. Mir fiel plötzlich auf, dass ich mich wahrscheinlich geirrt hatte. Sie hatte nicht nur bereits ihren Zauber gewirkt, vielleicht sogar vor Tagen, sondern sie machte es immer schlimmer, verursachte stechende Schmerzen. Es war nicht der Mangel an Magie, der diese Sache so unsichtbar machte, sondern die reine Kraft des Mannes, der sie ertrug. Ich ritt mit zusammengebissenen Zähnen und schweißnasser Stirn weiter, meine Hände zitterten an den Zügeln. Gib doch auf, dachte ich. Sei nicht so stark. Je eher du aufgibst, desto eher wird es aufhören. Die anderen rings
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