Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
Zumindest, dass ihr Mann uns an dem Kai, wo wir anlegten, abholen würde, wenn er uns schon nicht bis aufs Festland entgegengekommen war. Es gab zwar viele Männer, die uns aus dem Boot halfen und unsere Bündel eine steile Treppe die Felsen hinauftrugen, aber ich konnte niemanden sehen, der meinen Erwartungen entsprach. Es gab einen jungen Mann, der Johnny recht ähnlich sah, mit dem gleichen liebenswerten Lächeln und festem Blick. Er begrüßte Liadan mit Küssen auf die Wange; es war wohl ihr Sohn Cormack, der, von dem die Mädchen erzählt hatten, er sei ein Krieger. So sah er auch aus, mit seinem kräftigen Kinn und seiner zupackenden Art, nicht zu reden von dem langen Messer und der Wurfaxt an seinem Gürtel. Und es gab noch einen anderen Jungen, der meinem Onkel Sean ein wenig ähnlich sah, mit heller Haut und dunklen Locken, die ihm in die Augen fielen. Das war sicher Coll, der Jüngste. Es sollte insgesamt vier geben, aber einer von ihnen war in Harrowfield. Wo steckte ihr Vater? Liadan schien sich über seine Abwesenheit nicht zu wundern. Männer drängten sich heran, um sie zu begrüßen, alle lächelten, aber sie brachten ihr auch eine gewisse Art von Ehrerbietung entgegen und blieben immer in gewisser Distanz, als hielten sie sich für unwürdig, näher zu kommen. Wir stiegen weiter nach oben, bis mir die Beine wehtaten. Droben gab es eine überwiegend baumlose Ebene und eine Gruppe niedriger Gebäude, umgeben von einer festen Steinmauer. In der Ferne waren Felsvorsprünge zu sehen, glatt und dunkel von Gischt, die verborgene Buchten, geheime Strände und vielleicht auch Höhlen schützten.
    »Es ist ein unwegsamer Ort«, sagte rechts von mir eine leise Stimme. »Aber auch ein schöner Ort, wenn man ihn genauer kennt.«
    Ich drehte mich um. Der Mann, der da gesprochen hatte, hatte Haut so schwarz wie Kohlen und sehr weiße Zähne, von denen ein paar fehlten. Er trug eine Feder in seinem geflochtenen Haar.
    »Willkommen auf der Insel«, sagte er. »Du hast meinen Sohn vielleicht schon kennen gelernt.«
    Ich starrte ihn einen Augenblick lang an, dann fasste ich mich wieder und riet: »Evan – ja, wir sind uns begegnet.«
    Er streckte die Hand zum Gruß aus, und ich ergriff sie und spürte sofort die Verstümmelung. Sein Griff war sehr fest, aber diese Hand hatte nicht mehr als drei Finger.
    »Dann komm«, sagte er. »Wir bringen dich ins Haus, und dann geben wir dir etwas zu essen und suchen dir einen Schlafplatz. Es ist selten hier auf der Insel, dass eine junge Dame zu Besuch kommt. Ich heiße Möwe; du wirst uns mit der Zeit schon alle kennen lernen.«
    Liadan war verschwunden; Johnny und seine Brüder gingen mit einer Gruppe Männer auf das langgezogenste der Steingebäude zu. Weiter entfernt konnte ich ein paar Schafe grasen sehen, Rauch stieg aus einem Schornstein auf, Tücher flatterten in der Brise. Eine gemütliche häusliche Szene, ganz gleich, wie abgelegen diese Insel sein mochte.
    »Was für ein Ort ist das hier?«, fragte ich, als ich Möwe nach drinnen folgte. »Was machen die Leute hier?«
    Er hielt inne, starrte mich an und zog die dunklen Brauen hoch. »Du bist so weit gekommen, ohne zu fragen? Es ist eine Art Schule, Mädchen. Eine Schule, wie du sie nirgendwo finden wirst, von Wessex nach Orkney, von Munster bis zu den Stränden Galliens. Man könnte vielleicht von einer Schule der Kriegskunst sprechen. Aber Inis Eala ist mehr. Viel mehr. Und nun möchtest du sicher etwas zu essen und ein wenig Ruhe. Biddy!«
    Das Gebäude bestand größtenteils aus einer langgezogenen, offenen Fläche, möbliert mit großen Tischen und Bänken. An einem Ende war eine Küche, und hier stand eine kräftige, kompetent aussehende Frau mit einem liebenswerten Gesicht und schöpfte Suppe für die Männer in Schalen.
    »Die junge Dame ist eingetroffen«, sagte Möwe zu ihr. »Liadans Nichte Fainne.«
    Sie hatten also gewusst, dass ich kommen würde; sie wussten sogar meinen Namen. Johnnys Boten waren uns vorausgeeilt.
    »Das ist meine Frau Biddy«, fügte Möwe hinzu. »Sie wird sich um dich kümmern. Hier, setz dich und ruh dich aus.«
    Aber ich starrte an Biddy vorbei durch die Hintertür hinaus in einen kleinen Garten mit einer Mauer darum, einen geschützten Ort, an dem man Kräuter und Gemüse vielleicht dazu verleiten konnte, trotz des Windes und der Gischt zu wachsen. Ich konnte Tante Liadan sehen und einen Mann, der wohl Bran war. Sie standen vollkommen reglos da, hatten einander umarmt und die

Weitere Kostenlose Bücher