Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
unten in der Bucht, wo man offenbar große Boote baute und auch flinke kleine; es gab einen Schuppen, wo sie Fische trockneten und räucherten. Es gab eine Hütte für die Kranken und Verwundeten, in der Möwe arbeitete, der Mann mit der Feder im Haar und nur fünf Fingern an beiden Händen zusammen. Es gab einen christlichen Priester und einen Druiden, die einen großen Teil ihrer Zeit mit freundschaftlichen Debatten verbrachten. Beide vollzogen ihre Rituale; die Leute nahmen an einem oder dem anderen oder an keinem teil, ganz, wie es ihnen passte. Es gab eine kleine Gerberei und ein Haus, in dem gesponnen und gewebt wurde, und einen Segelmacher.
    Und dann gab es den eigentlichen Grund, wieso diese Leute hier waren. Man sah in der Schmiede ein wenig davon, wo zwei kräftige Burschen namens Sam und Clem nicht nur Mistgabeln und Schaufeln und Geräte zur Bearbeitung des steinigen Bodens schmiedeten, sondern auch die unterschiedlichsten Waffen: Schwerter, Speerspitzen, Dolche, Wurfäxte und unzählige andere Gegenstände, deren Nutzen ich nur erraten konnte. Sam und Clem waren Biddys Söhne, aber nicht die von Möwe. Sie waren beide so hellhäutig wie Milchmädchen, mit rosigen Wangen und hellblondem Haar und Armen und Beinen wie Baumstämme. Am Abend nach dem Essen spielte Sam Bodhran und Clem Flöte, und ich staunte, wie anders die Dinge doch sein konnten, als man erwartete. Man musste nur Tante Liadans Mann ansehen. Er hieß Bran, aber die Einzige, die ihn so ansprach, war Liadan selbst, alle anderen nannten ihn Hauptmann. Einmal hatte ich geglaubt, er sei eine Spielfigur, die ich in diesem Spiel leicht opfern konnte; ich hatte gedacht, ich könnte ihn von Eamonn töten lassen, damit die Allianz brechen würde, und so dafür sorgen, dass der Kampf um die Inseln verloren ginge. Ich hatte Großmutter gesagt, dass ich genau das tun würde. Denn immerhin, was hatte ich bis dahin von dem Mann gehört? Man hatte mir erzählt, er sei ein Gesetzloser, er sei Abschaum. Er hätte Eamonns Liebste grausam gestohlen und sein Leben zerstört. Das Mindeste war, dass die Leute ihn recht seltsam fanden. Er hatte sich im Lauf der Jahre so viele Feinde gemacht, dass er niemals selbst nach Sevenwaters kommen konnte. Und was noch seltsamer war, es gelang ihm zur gleichen Zeit, Herr eines ausgedehnten Landsitzes in Britannien zu sein. Das war doch sicher eine Position, die ein solcher Missetäter kaum innehaben konnte? Ich hatte ein Rätsel erwartet. Aber niemand hatte mir gesagt, dass die Frau dieses Mannes ihn mehr liebte als das Leben selbst. Ich hatte nicht gewusst, dass seine Söhne ihn respektierten und bewunderten, dass seine Leute ihn für etwas Besseres als einen gewöhnlichen Menschen hielten. Es wurde mir klarer, je länger ich mich auf Inis Eala aufhielt, dass Johnny hier zwar der Anführer war, aber der schweigsame, grimmig dreinschauende Hauptmann das Fundament dieser Gemeinschaft, die vereinigende Kraft des ganzen Unternehmens. Und es war ein umfangreiches, geschäftiges Unternehmen, denn selbst jetzt kamen und gingen trotz des unangenehmen Wetters Männer, und hinter den hohen Mauern des Übungsplatzes wurde endlos gearbeitet, während in verschlossenen Räumen andere Fähigkeiten unterrichtet wurden: Karten lesen, Spionage, Gift und Gegengifte, Heimtücke und Verkleidung. Man konnte sich nicht auf der Insel aufhalten, ohne zumindest ein wenig davon zu erfahren. Dennoch, es gab Regeln, und viele davon galten der Geheimhaltung. Es war gut, dass ich keine Informationen mehr für Eamonn beschaffen musste, denn das wäre unmöglich gewesen, ohne mich vollständig zu verwandeln. Und das wiederum hätte nicht geschehen können, ohne Liadan misstrauisch zu machen. Sie beobachtete mich genau; eine weitere mysteriöse Ohnmacht hätte mich sicher verraten. Ich war ausgesprochen dankbar, dass Johnny mich nach Inis Eala gebracht hatte, wo ich nicht mehr an Eamonn denken musste.
    Bran sah eigentlich nicht besonders auffällig aus. Selbstverständlich hatte er diese kunstvollen Tätowierungen, und das Muster war ein Kunstwerk und bedeckte ihn auf der gesamten rechten Seite vom rasierten Kopf bis zu den Fingerspitzen und Zehen. Aber davon einmal abgesehen war er Johnny recht ähnlich. Ein nicht besonders großer Mann mit klugen grauen Augen. Er hatte allerdings nicht das liebenswerte Lächeln seines Sohnes. Seine Züge wurden nur dann ein wenig weicher, wenn er Liadan ansah, und selbst dann merkte man, dass er nicht wollte, dass andere

Weitere Kostenlose Bücher