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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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zwingen.
    »Ich kann schwimmen«, sagte Darragh. »Ein bisschen.«
    »Das habe ich gehört«, erwiderte Johnny. »Nun, ich muss darüber nachdenken. Ich werde wahrscheinlich hierher zurückkommen, bevor der Frühling zu Ende ist. Wenn du immer noch in der Gegend bist, reden wir weiter.« Und dann drehte er sich auf dem Absatz um und eilte hinunter zum Boot, wo Brenna das Verladen ihres kostbaren Bündels beaufsichtigte. Ich folgte meinem Vetter blind und zwang mich, langsamer zu atmen, zwang mich, nicht zurückzublicken. Es war vielleicht grausam gewesen, aber es war die richtige Entscheidung. Darragh konnte nicht mit uns kommen. Er durfte es einfach nicht tun!
    Die Männer mussten auf dem Rückweg kräftiger rudern, und wir kamen gegen die anrollende Flut nur schlecht voran. Ich war durcheinander, und mein Herz war schwer. Seltsamerweise schien es mich am meisten zu bedrücken, dass ich mich nicht einmal von meinem Freund verabschiedet hatte. Ich hätte zumindest ein freundliches Wort sagen können, dachte ich; ich hätte ihm die Hand drücken oder ihm einen Kuss auf die Wange geben können. Es wäre besser gewesen, ihn nie wieder zu sehen, als ihm so zu begegnen und dann ohne ein Lebewohl zu gehen.
    Die Männer ruderten angestrengt mit dem Rücken zur Insel. Es gelang ihnen dabei immer noch, sich zu unterhalten.
    »Störrischer Bursche«, stellte Corentin fest.
    »Man muss verrückt sein, es auch nur zu versuchen«, meinte Godric grinsend. »Gegen die Flut und all das.« Johnny schwieg. Er schaute einfach über das Meer, dorthin, wo wir hergekommen waren, und er hatte den gleichen abschätzenden Blick, den ich oft bei seinem Vater gesehen hatte. Ich erinnere mich, dass er einmal gesagt hatte, er könne den Charakter eines Mannes oder einer Frau recht gut beurteilen. Ich beobachtete ihn, und plötzlich begriff ich, was die Männer gesagt hatten, und mir wurde kalt vor Schreck. Ich drehte mich um und schaute zurück.
    Irgendwo zwischen unserem kleinen Boot und dem zurückweichenden Festland tauchte hin und wieder ein Kopf aus dem kabbeligen Wasser auf. Glatt wie der eines Selkie kam er hoch, um Luft zu schnappen, und verschwand dann wieder im dunklen Wellental, nur um nach einem Augenblick, in dem mir fast das Herz stehen blieb, erneut aufzutauchen.
    »Ich erinnere mich, dass du einmal erzählt hast, er sei ein guter Schwimmer«, stellte Johnny fest. »Und ich denke, jetzt werden wir herausfinden, wie gut er ist.«
    Entsetzt umklammerte ich Brennas Arm. Was war mit den Seeschlangen? Was mit der beißenden Kälte? Und hatte Coll nicht gesagt, niemand hätte dies je zuvor gewagt?
    »Johnny«, sagte ich leise. »Es ist ein sehr langer Weg. Du würdest nicht vielleicht –«
    »Alle Männer müssen geprüft werden. Aber wir können auch nicht zulassen, dass dein Schatz ertrinkt. Außerdem brauchen wir ihn. Vielleicht auf halbem Weg oder ein wenig mehr. Er ist jetzt schon weiter gekommen, als es jeder andere von uns schaffen könnte, und er schwimmt stetig weiter. Wir holen vielleicht bei dem Felsen dort hinten die Ruder ein, und dann kann er uns einholen.«
    »Der Kerl kann kein Schwert schwingen, und er hat nicht den Mut, einen Mann zu töten«, knurrte Gareth. »Er kann vielleicht schwimmen, aber was passiert danach?«
    »Dann wird er nur eine Last sein«, knurrte Corentin und ruderte weiter.
    »Er kann lernen.« Johnnys Ton war ruhig. »Das hat er gesagt, oder nicht? Und wir haben auf Inis Eala die besten Lehrer.«
    Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Die winzige, störrisch weiterschwimmende Gestalt wurde kleiner, und die Wellen wurden höher, da wir uns schon weit vom Ufer entfernt hatten. Jeder Wellenkamm schien lange Klauenfinger zu besitzen, jedes Wellental schien bewohnt von mörderischen Ungeheuern der Tiefe. Ich wusste nicht, was man mir ansah oder nicht. Johnny warf mir einen Blick zu, und sein Mundwinkel zuckte ein wenig. Aber in seinen Augen standen auch Sorge und so etwas wie Überraschung. Brenna hielt meine Hand und sagte: »Schon gut, Fainne. Wir haben die Felsen beinahe erreicht. Dort werden sie auf ihn warten.« Gareth starrte finster geradeaus. Corentin hatte den Mund zusammengekniffen. Godric und Mikka hatten eine Wette abgeschlossen, ob sie wohl einen dreisten Hausierer aus dem Wasser fischen würden oder eine Leiche. Ich hatte Kopfschmerzen, so fest biss ich die Zähne zusammen. Ich umklammerte weiter Brennas Hand und heftete den Blick auf den weit entfernten schwarzen Fleck, als er auftauchte,

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