Das Kind der Stürme
damit das Schlimmste tut, was möglich ist. Er muss nach Hause gehen, Johnny. Bitte schick ihn weg.«
Johnny starrte mich an. »Du hast dich verändert, seit du hergekommen bist«, sagte er leise. »Ich glaube beinahe, du könntest sogar weinen, wenn du um diesen Mann flehst. Aber es ist seine Entscheidung, Cousine, und nicht deine. Ich respektiere die Entscheidung eines Mannes. Und wir brauchen ihn. Wir brauchen fünf Schwimmer; wir haben nur vier, die kräftig und ausdauernd genug sind, um zu tun, was notwendig ist. Ich selbst, mein Vater, Sigurd und Gareth. Es ist tatsächlich ein Wunder, das diesen Hausiererjungen vor unsere Tür gebracht hat. Ich kann nicht tun, um was du mich bittest.«
Ich spürte, wie mich erneut die Verzweiflung überfiel. Wer würde mir noch helfen können, wenn selbst Johnny nichts unternahm?
»Fainne.« Johnnys Tonfall war sanft. »Ich verliere selten Männer; meine Leute sind bei dem, was sie tun, unübertroffen. Und ich werde einen Mann, der kaum ausgebildet ist, nicht in die vorderste Linie schicken.«
»Es geht nicht darum, obwohl es sicher ein Teil davon ist. Es ist – es ist – es ist –« Ich konnte es ihm nicht sagen. Ich konnte nicht sagen: Wenn du zulässt, dass er das tut, wird sie ihn in Gefahr bringen, und dann … und dann … ich weiß nicht, ob ich dann noch die Kraft haben werde, weiterzumachen. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen kann. Vielleicht wird sich herausstellen, dass ich doch nichts anderes sein kann als das Geschöpf meiner Großmutter.
»Hast du Visionen?«, fragte er mich. »Schatten aus der Zukunft, wie meine Mutter sie sieht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich habe Warnungen gehört, und nein, ich kann dir nichts weiter darüber sagen. Schon dieses Gespräch war zu viel. Ich sehe, du wirst mir ohnehin nicht helfen.«
»Meine Instinkte und meine Ausbildung sagen mir, dass meine Entscheidung gut ist«, erklärte Johnny. »Ich werde nicht das Leben eines guten Mannes aufs Spiel setzen, wenn es nicht notwendig ist. Und hier kommt Coll, und ich sollte lieber verschwinden, bevor du auch mir ein Täfelchen und einen Griffel in die Hand drückst – das war nie meine Lieblingsbeschäftigung. Lebe wohl, Cousine.«
Ich sprach auch mit dem Hauptmann, aber es nützte nichts, denn alles, was ich ihm gegenüber ins Feld führen konnte, war Darraghs Unerfahrenheit als Krieger und wie wenig er ihnen bei all seinen Fähigkeiten im Wasser später beim Kampf an Land helfen konnte. Der Hauptmann lauschte ernst, dann erzählte er mir, Schlange sei mit den Fortschritten des Jungen sehr zufrieden; für einen so schlaksigen Burschen hätte er kräftige Arme und könne gut mit dem Stab umgehen, und er sei auch nicht schlecht im unbewaffneten Kampf. Vielleicht war das etwas, was man auf der Straße lernte. Was Schwert und Dolch anginge, da müsste er noch mehr arbeiten, aber immerhin sei auch noch Zeit. Als ich versuchte zu widersprechen, erklärte Bran, es sei Johnnys Entscheidung, und er verließe sich auf das Urteil seines Sohnes. Und sei es außerdem nicht das, was der Junge selbst wollte?
Es gab eine letzte Möglichkeit. Liadan war im Krankenhaus und gerade damit beschäftigt, etwas durchdringend Riechendes mit Mörser und Stößel zu zermahlen. Sonst war niemand anwesend. Leere Strohsäcke erwarteten die Opfer von Krieg und häuslichen Unfällen. Knoblauchzöpfe hingen an den Dachbalken, Krüge mit Kräutern waren ordentlich auf den Regalen aufgereiht. »Fainne!«, rief sie überrascht, als ich hereinkam. »Dich hätte ich hier nicht erwartet.« Sie trug ihr übliches dunkles Kleid mit dem schlichten Obergewand, bescheiden wie das Habit einer Nonne; ihr Haar war mit einem Leinenband zurückgebunden, aber ein paar Locken fielen ihr in die bleiche Stirn. Sie verzog das Gesicht.
»Du kommst zweifellos, um mich zu bitten, dass wir diesen jungen Mann nach Hause schicken?«, sagte sie und arbeitete weiter an dem rötlichen Pulver im Mörser.
Ich starrte sie an. »Kann man hier denn keine Geheimnisse haben?«, fragte ich.
Meine Tante lächelte. »Wir sprechen tatsächlich miteinander, Fainne. In Familien ist das so. Außerdem ist Darragh zu mir gekommen.«
»Wie bitte?«
»Er macht sich große Sorgen um dich. Und ich weiß, dass du dich um seine Sicherheit sorgst. Darragh hat eine Lösung vorgeschlagen, die ich vielleicht unterstützen werde, wenn du zustimmst.«
Ich war nicht sicher, ob ich das alles wissen wollte, aber ich fragte trotzdem. »Welche
Weitere Kostenlose Bücher