Das Kind der Stürme
Kopf schmerzte und meine Augen von Tränen brannten, die ich nicht weinen konnte. »Das ist die Wahrheit! Ich schwöre es!«
»Du gehst am besten in dein Zimmer zurück, bis wir entschieden haben, was getan werden muss.« Der Hauptmann wirkte ruhig, aber ich hatte gesehen, wie er seinen kleinen Sohn angeschaut hatte. »Vielleicht müssen wir Darragh doch gestatten, dich nach Hause zu bringen. Nachdem dies geschehen ist, kannst du nicht hier bleiben.«
»Aber ihr habt keine Beweise! Es ist ungerecht! Ihr könnt mich doch nicht einfach wegschicken! Johnny? Du glaubst doch sicher nicht, dass ich so etwas tun würde?«
Johnny sah mich mit einem seltsamen Lächeln an, aber er schwieg. Die Göttin behüte mich, es war, als fiele alles um mich herum in sich zusammen. Ich hatte vollkommen versagt, und wahrscheinlich würde der Zorn meiner Großmutter bald über mich hereinbrechen. »O bitte«, hauchte ich, »bitte, ich schwöre es! Ich habe nichts damit zu tun. Diesmal habe ich wirklich nichts damit zu tun.«
Es folgte ein Augenblick schrecklichen Schweigens. Dann sagte Liadan: »Was meinst du mit diesmal?«
Ich gab einen Laut von mir, irgendwo zwischen einem Schluchzen und einem Aufschrei, und dann rannte ich auf die Tür zu und war draußen in der Nacht und lief und lief, so schnell wie mein lahmer Fuß mich tragen wollte. Weg von dem kranken Kind und den anklagenden Blicken meiner Verwandten. Weg von der Siedlung dieser guten Menschen, die einen gerechten Zweck verfolgten und einen geraden Weg vor sich hatten. Weg von meinem Freund, der in etwas verwickelt war, an dem er keinen Anteil haben konnte, weg von den Schafsweiden und über die Mauer und weiter. Ich rannte, bis mir der Kopf wehtat und mein Herz sich beinahe überschlug und mir das Atmen selbst Schmerzen bereitete. Der Mond beleuchtete meinen Weg; meine Stiefel knirschten auf kleinen Steinen, rutschten auf größeren, nassen Felsen und sanken in Flecken weichen Sands ein. Ich rannte Hügel hinauf und in kleine Täler hinab, stieß gegen Büsche und wäre beinahe von einer Klippe in das gischtige Wasser tief unten gefallen. Ein Unfall, und dennoch … Als ich zitternd stehen blieb, dachte ich, es könnte ein Ausweg sein. Aber dann kämpfte ich um mein Gleichgewicht und fiel nicht. Das wäre die Lösung eines Schwächlings, und so verängstigt und gekränkt und verwirrt ich auch sein mochte, ich würde diesen Ausweg nicht wählen. Es gab noch etwas Gutes, was ich tun konnte, und was immer mir auch im Weg stehen mochte, ich würde es tun. Ich würde dafür sorgen, dass Vater trotz allem stolz auf mich sein könnte.
Ich rannte weiter. Unter dem Frühlingsmond schimmerte die Landschaft silbern, die Felsen glitzerten, der Sand war perlweiß, als wäre ich auf der Flucht durch ein Reich, das hinter dem der Sterblichen lag. Und es gab seltsame Geräusche: Über das Tosen des Meeres hörte ich traurige Rufe wie die eines großen Geschöpfs der Tiefe, das von einem verlorenen Schatz singt, den es nie wiedergewinnen kann. Es lag so viel Kummer darin, so untröstlicher Kummer!
Ich lief, so weit ich konnte, den ganzen Weg bis zu den Klippen im Norden der Insel. Ich sah mich nicht um, ob mir jemand mit Laternen oder Fackeln folgte. Was interessierte es sie schon, wenn ich von den Felsen fiel und mir das Genick brach? Es würde sie nicht stören, wenn ich ins Wasser fiel und das tintenschwarze Meer mich verschlang. Sie würden froh sein, dass sie mich los waren. Darragh hatte sich geirrt, was Verwandte anging, und Liadan bezüglich der Liebe. Beides brachte nur unnötige Komplikationen. Ich war ohne Familie und Liebe besser dran.
Nun war ich auf dem Felsen, und es gab dort eine Art Eingang, einen kleinen Tunnel mit sandigem Boden, wo ich vielleicht Zuflucht finden würde – es war beinahe wie zu Hause in Kerry. Immer noch schwer atmend, mit wirrem Haar, das mir in die Augen fiel und die Hände vor mir ausgestreckt, ertastete ich mir den Weg nach drinnen. Ich wollte nur tief genug hineingehen, um vor dem Wind geschützt zu sein, dann würde ich mich zusammenrollen und die Augen fest schließen und bis zum Morgen so tun, als gäbe es niemanden sonst auf der Welt. Keinen Coll, keine Liadan, keinen Johnny, keinen Darragh. Und ganz besonders keine Großmutter. Ich würde mich auf den Sand legen und mir wünschen, dass sie alle bis zum Sonnenaufgang verschwunden wären. Dann würde ich aufstehen und zurückkehren und wieder stark sein.
Ich tastete mich vorsichtig weiter
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