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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ab?«
    »Nein!«, flüsterte ich. »Nein! Das kann ich nicht tun. Wir dürfen nicht einmal von solchen Dingen sprechen, denn –«
    »Denn sie könnte uns hören? Sieh dich um, Fainne. Liadan hat mir erzählt, dass dein Vater dich in Übereinstimmung mit der druidischen Überlieferung erzogen hat. Du verstehst also das Muster der Existenz. Sieh dich mit dem Auge des Geistes um. Dieser Ort hier ist sicher. Hier werden alle Geheimnisse gewahrt.«
    Ich konnte mich kaum dazu überreden, auch nur daran zu denken, dass es wahr sein könnte. Er hatte mich erschreckt, als er vorschlug, dass ich das Amulett abnehmen sollte – und das hier, wo Darragh so nah war! Wusste er denn nicht, dass Großmutter sofort auftauchen würde, wenn ich die Schnur über den Kopf zog? Ich starrte schweigend in den Teich.
    »Du hast Angst zu sprechen. Tatsächlich liegt eine schwere Last auf dir, eine, die viel zu schwer für dich ist, und dennoch trägst du sie stoisch, Fainne. Ich glaube, diese Kraft verdankst du den Lehren deines Vaters. Du brauchst nichts zu sagen, wenn du willst. Bleib einfach hier und schweige und ruh dich aus bis zum Morgen. Du hast keinen Grund, mir zu vertrauen. Das verstehe ich. Vielleicht wird es ein wenig helfen, wenn ich dir sage, dass ich sehr genau weiß, was es bedeutet, allein zu sein, von allen anderen in der Welt abgeschlossen zu sein, so dass es keine einzige Seele gibt, die versteht, was dich quält, nicht einen einzigen Freund, der dir helfen kann. Wenn du so isoliert bist, braucht es große Kraft, damit du weitermachen kannst. Es gab Zeiten, da hätte ich beinahe aufgegeben. Ich hatte solche Hoffnungen, solch große, aufregende Träume, bevor Lady Oonagh kam und mich für immer veränderte. Ich wollte die Welt retten. Ich wollte Tyrannen gerecht und Missetäter ehrlich machen. Ich wollte aller Grausamkeit und Unterdrückung ein Ende setzen. Das waren die Träume eines Jungen in deinem Alter, Fainne. Noch bevor ich zwanzig war, wurde das Feuer dieser Träume zu kalter Asche, und ich wurde zu dem, was du vor dir siehst: ein Geschöpf, das weder Mensch noch Tier ist, ein Geschöpf des Zwischenreichs, das auf dieser Welt nirgendwo hingehört. Aber ich bin immer noch da. Ich bin nicht den Weg des kleinen, scharfen Messers oder der hohen Klippen und der Flucht ins Vergessen gegangen.«
    »Warum? Warum hast du es nicht getan? Bist du hier geblieben, weil du Rache für das gesucht hast, was sie dir angetan hat?« Seine Worte hatten mich ebenso schockiert wie fasziniert, und ich vergaß, vorsichtig zu sein.
    »Rache?« Er sprach das Wort so aus, als hätte er vergessen, was es bedeutet. »Daran habe ich nicht gedacht. Wenn wir damals nicht die Kraft gehabt hätten, uns gegen sie zu stellen, Conor und ich und all die anderen zusammen, dann hätten wir sie inzwischen sicher noch weniger. Es ist lange her. Zweifellos hat die Zauberin inzwischen jene Kräfte, die meine Schwester ihr genommen hat, wiedererlangt und neu gestärkt. Ich würde nicht wagen, mich ihr zu stellen. Ich könnte es kein zweites Mal tun, ohne mich vollkommen zu verlieren.«
    Sein bleiches Gesicht war unbewegt, aber hinter seinen Worten lag eine tiefe Angst, die ich erkannte, denn ich hatte es selbst ebenfalls gespürt, wenn ich in Großmutters rotbraune Augen schaute.
    Ich nickte. »Warum hast du dann weitergemacht?«, fragte ich ihn. »Warum hast du es nicht beendet, wie du gesagt hast?«
    »Ich wollte es nicht tun, solange meine Schwester lebte. Das Leben wegzuwerfen, das sie für uns zurückgewonnen hat, wäre gewesen, als würde ich ihr Opfer und ihre Liebe verspotten. Und danach war da Johnny.«
    »Johnny?« Ich war verblüfft. »Was hat er damit zu tun?«
    Finbar lächelte. Es kam mir vor, als wäre das etwas, das er so selten tat, dass er beinahe vergessen hatte, wie es ging, ähnlich wie mit dem lauten Sprechen. »Er ist das Kind der Prophezeiung, oder etwa nicht? Ein solches Kind kann nicht ohne Führung aufwachsen. Es ging nicht nur darum, Körperkraft zu entwickeln und ein großer Krieger zu werden. Ich habe ihm alle Hilfe gegeben, die ich ihm geben konnte, obwohl ich fürchte, dass das nicht ausreichen wird. Conor hätte vielleicht mehr tun können. Liadan hat hier einen sicheren Ort für mich gefunden. Ich kann nicht so leben wie andere Menschen. Ich – ich bin nicht mehr das, was ich einmal war. Als Ciaráns Tochter weißt du sicher, dass der Geist eines wilden Geschöpfs sich von dem der Menschen unterscheidet. Ich weiß nicht,

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