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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Frühling, und es wird schöne Tage geben. Du brauchst Zeit für dich, frische Luft und Bewegung. Es wird dir gut tun.« Sie klang ganz normal, wie Mütter eben klingen. Irgendwo unter dem Durcheinander von Ängsten die meinen Geist erfüllten, dachte ich, es wäre gut, eine Mutter zu haben, die sich darüber Gedanken machte, ob ich genügend frische Luft und Bewegung bekam. Wenn meine Mutter nicht gestorben wäre, wäre sie vielleicht so gewesen. Vielleicht hatte der Hauptmann ja Recht, und sie hatte uns nie verlassen wollen. Vielleicht hatte sie uns geliebt und Hoffnung auf eine Zukunft gehabt. Ich würde daran denken, und ich würde mich an Liadans Worte erinnern. Ich kann mir vorstellen, dass er sehr stolz auf dich ist, meine Liebe. Ich würde diese Dinge in meinem Herzen bewahren und die Geschichte so hell und wahr machen wie möglich. Wen interessierten schon die Tränen – es ging einfach nicht anders.

KAPITEL 13
    Wieder und wieder übten sie die Sache mit dem Boot und den Schwimmern in der Strömung. Und nun war Darragh einer von ihnen, wenn sie über den Rand des Bootes in den eisigen Griff der Flut glitten. Sie taten es am Tag. Sie taten es bei Nacht, mit Laternen am Bug. Sie gewöhnten sich an, es mit ihren Maskenkapuzen zu tun, mit dunkler Kleidung, die vom Hals bis zum Fußgelenk eng anlag, so dass sie tatsächlich Meeresgeschöpfen immer ähnlicher wurden, merkwürdigen Kindern von Manannán selbst. Sie taten es bei Mondlicht und ließen die Laternen zurück; ich hörte sie, wenn sie hinterher lachend aus der Bucht heraufkamen. Es kam mir so vor, als hätten sie keine Angst. Eine Truppe von Kameraden, aneinander gebunden durch ihren unerschütterlichen Glauben an sich selbst und die anderen. Es beunruhigte mich, dass Darragh so schnell einer von ihnen geworden war. Und es war nicht nur meine Angst um seine Sicherheit, die mir schlaflose Nächte bereitete. Es war etwas, was ich kaum auch nur mir selbst gegenüber zugeben wollte. Er gehörte mir, und ich wollte ihn nicht teilen. Ich wollte nicht, dass er sich veränderte und hart und rücksichtslos wurde wie all diese anderen Krieger. Manchmal war es nur ein kleines Bild von Darragh gewesen, wie er auf dem Rücken seines schönen weißen Ponys ruhig einen sonnigen Weg zwischen Ebereschen entlangritt und schief vor sich hin grinste, das mich überhaupt am Leben erhalten hatte. Wenn das auch noch verschwunden war, was blieb mir dann noch?
    Dann wurde Coll krank. Erst hatte er nur Kopfschmerzen, nichts weiter, nur genug, dass er ein bisschen knurriger war als sonst, wenn es ums Schreiben ging. Am nächsten Tag bekam er Fieber und konnte nicht aufstehen. Ich besuchte ihn nicht. Ich blieb an meinem Tisch, beschäftigte mich mit Feder und Tinte, zeichnete den medizinischen Nutzen eines Krauts namens Scrophularia auf, das normalerweise als Braunwurz bekannt ist. Ich sprach mit niemandem.
    Liadan kam nicht zum Abendessen, ebenso wenig wie Möwe. Bran war sehr still, aber das war nichts Ungewöhnliches. Auch Johnny sagte nicht viel, und ich glaubte, dass er mich beobachtete.
    »Dem Jungen geht es wirklich sehr schlecht«, murmelte Biddy mir zu. »Er glüht wie ein Schmiedefeuer und redet nur Unsinn.«
    Ich zog mich früh in meine Schlafhütte zurück und dachte, wenn ich nicht wäre, würde es dem Kind sicher gut gehen. Es war mein Fehler. Wie hatte ich das vergessen können? Wie hatte ich zulassen können, dass ich einen weiteren Freund fand? Wie konnte ich so dumm sein zu glauben, dass Großmutter mich auch nur für einen Augenblick in Ruhe ließ? Ich hatte die Lampe gerade erst angezündet, als sie nach mir schickten. Sie warteten in der Krankenhütte, Liadan saß am Bett ihres Sohns, der schwitzend und vor sich hin murmelnd da lag, den kleinen Kopf ruhelos von einer Seite zur anderen wälzte, und der Hauptmann und Johnny standen grimmig und schweigend neben ihr. Ich bin die Tochter eines Zauberers, sagte ich mir, als ich ihnen entgegentrat. Es schien nicht viel zu helfen.
    »Es tut mir Leid, dass Coll krank ist«, sagte ich so ruhig ich konnte. »Ich hoffe, es ist nur eine Frühlingserkältung und es wird ihm bald besser gehen.« Ich verschränkte die Hände auf dem Rücken, damit sie nicht zitterten.
    »Setz dich, Fainne.« In Liadans Stimme lag nichts mehr von der Wärme, die sie bei unserem letzten Gespräch noch gehabt hatte. Als ich mich auf die andere Seite des Bettes des Jungen gesetzt hatte, sah ich, dass ihre Augen rot und geschwollen waren und sie

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