Das Kind der Stürme
Vater und hustete angestrengt. »Ich bin heute Abend keine gute Gesellschaft.«
»Vater, du bist krank!« Ich starrte ihn erschrocken an, als er um Atem rang. »Du brauchst Hilfe. Du brauchst einen Arzt.«
»Unsinn.« Seine Miene war grimmig. »Mit mir ist alles in Ordnung. Und jetzt geh ins Bett. Es wird wieder vergehen. Es ist nichts.«
Er hatte mich kein bisschen überzeugen können.
»Vater, bitte sag mir, was los ist.«
Er lachte auf. Es war kein heiteres Geräusch. »Wo sollte ich anfangen? Nein, das genügt jetzt, ich bin müde. Gute Nacht, Fainne.«
Also war ich entlassen, und ich ließ ihn sitzen, wo er reglos saß und in das niederbrennende Feuer starrte. Als ich in mein Zimmer ging, hallte sein Husten durch die unterirdischen Gänge hinter mir her.
***
Sie tauchte an einem Herbstmorgen auf, als Vater Wasser holen gegangen war. Ich ging nach draußen, als ich sie vom Eingang her rufen hörte. Wir bekamen wenig Besuch. Aber da war sie nun: eine alte Dame mit einem Schultertuch, zu Fuß und ohne eine Tasche oder einen Korb. Ihr Gesicht war ganz verschrumpelt, und ihre Augen waren so eingesunken, dass man kaum erkennen konnte, was für eine Farbe sie hatten. Ihr weißes Haar war zerzaust, ihre Stimme sehr laut und schrill.
»Mach schon, Mädchen. Führe mich herein. Behaupte nicht, dass ihr mich nicht erwartet habt. Was veranstaltet Ciarán da?«
Sie drängte sich an mir vorbei und ging den Gang zum Arbeitszimmer entlang, als wäre dies ihr eigenes Heim. Ich trottete hinter ihr her und hoffte, dass mein Vater nicht zu lange weg sein würde. Plötzlich fuhr sie herum, schneller, als man es von einer so alten Dame erwartet hätte, und nun starrte sie mir in die Augen, als versuchte sie mich einzuschätzen.
»Du weißt, wer ich bin, oder?«
»Ja, Großmutter«, sagte ich, denn obwohl sie ganz anders aussah als die elegante Frau, die ich in Erinnerung hatte, konnte ich die Magie spüren, die ihr aus jeder Pore drang, machtvoll und uralt, und mir war vollkommen klar, wen ich vor mir hatte.
»Hm. Du bist gewachsen, Fainne.« Vollkommen unbeeindruckt drehte sie sich wieder um und ging weiter. Vor der großen Tür zum Arbeitszimmer blieb sie stehen. Sie streckte die Hand aus und drückte. Die Tür gab nicht nach. Sie bestand aus fester Eiche und saß in einem schweren Rahmen, der hervorragend in den Steinbogen passte, aber sie war auch nicht nur mit Eisenriegeln, sondern außerdem mit Worten der Macht gesichert. Mein Vater hütete sein Wissen gut. Die alte Frau drückte noch einmal.
»Du kannst nicht einfach hineingehen«, sagte ich erschrocken. »Vater lässt niemanden hinein. Nur manchmal mich. Du wirst warten müssen.«
»Warten?« Sie zog die Brauen hoch und lächelte schelmisch. In diesem Altfrauengesicht sah das absurd aus. Ihr Blick durchbohrte mich, als wollte sie meine Gedanken lesen. »Hat dein Vater dir diesen Trick beigebracht, wie man ein Zimmer verlassen kann, und es bleibt trotzdem von innen verschlossen?«
Ich nickte mürrisch.
»Und wie man eine solche Tür öffnet?«
»Du brauchst dir nicht einzubilden, dass ich sie für dich öffnen werde«, sagte ich, und meine Stimme war scharf vor Zorn über diese Dreistigkeit. Ich spürte, wie ich rot anlief, und ich wusste, dass die kleinen Flammen, die Darragh einmal bemerkt hatte, sich bald in meinem Haar zeigen würden. »Wenn mein Vater will, dass diese Tür verschlossen bleibt, dann bleibt sie verschlossen. Ich werde es nicht tun.«
»Ich wette, du kannst es nicht.« Sie versuchte tatsächlich, mich zu verlocken!
»Ich werde sie nicht öffnen, das habe ich dir doch schon gesagt.«
Sie lachte – das Lachen eines jungen Mädchens, das wie Glöckchenklingeln klang. »Dann werde ich es wohl selbst machen müssen«, sagte sie leichthin und hob eine verkrümmte, faltige Hand zu der schweren Eichentür. Sie schnippte mit den Fingern, und überall an den Rändern der Tür leckten helle Flammen. Rauch stieg auf, und ich musste husten. Einen Augenblick lang konnte ich nichts sehen. Dann erklangen ein Ploppen und ein Knarren. Der Rauch verzog sich. Die große Tür stand nun halb offen, die Oberfläche war verkohlt und vernarbt, die schweren Riegel baumelten nutzlos an vereinzelten Nägeln am verkohlten Holz.
Ich stand an der Tür und beobachtete, wie die alte Frau drei Schritte in das geheime Zimmer meines Vaters machte.
»Das wird ihn nicht sonderlich freuen«, sagte ich angespannt.
»Er wird es nicht erfahren«, erwiderte sie kühl.
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