Das Kind der Stürme
wie ein Feenlied. Als sie fertig war, rief jemand nach einem Tanz, und sie begannen wieder zu spielen.
Heute Abend schien es gestattet zu sein, einander zu berühren, Blicke zuzuwerfen, Worte zuzuflüstern. Da ihre Männer mit Flöte und Bodhran beschäftigt waren, tanzten Brenna und Annie kichernd miteinander. Dann nahmen die jungen Männer ihren ganzen Mut zusammen, und sofort gab es kaum eine Frau in der Halle, die sich nicht auf dem Tanzboden drehte. Und es waren nicht nur die Jungen, die da tanzten. Die kräftige Biddy tanzte mit dem großen, schlaksigen Spinne, das Mädchen, das sich um die Hühner kümmerte, umkreiste den wild aussehenden Schlange mit seinen Kampfesnarben in seinem Hemd aus Schlangenhaut. Möwe tanzte mit Liadan, und sie lachten wie alte Freunde. Der Hauptmann tanzte nicht. Er saß sehr still da, und sein Blick wich nicht einen Moment von der schlanken, schlicht gekleideten Gestalt seiner Frau, wenn sie sich unter Möwes Arm drehte oder ihn anmutig umkreiste oder mit ihm und den anderen Tänzern zusammen ein Muster webte. Ich verstand diese leidenschaftlichen, hungrigen Blicke gut. Er sammelte Erinnerungen, die ihm genügen sollten, bis er zurückkehrte und Liadan wieder in die Arme nehmen konnte.
Johnny kam zu mir und forderte mich grinsend zum Tanz auf, und ich lehnte höflich ab. Dann versuchte Gareth es, stolperte dabei über seine eigenen Worte und errötete, und ich sagte, ich sei zu müde. Corentin warf mir einen Blick zu, die dunklen Brauen hochgezogen, dann schaute er zu Darragh hin, aber er kam nicht zu mir. Darragh tanzte nicht. Er saß in meiner Nähe, aber nicht zu nah, und ich sah, wie er mit dem Fuß zuckte und mit den Fingern schnippte und sich danach sehnte mitzumachen. Er hatte Musik in jeder Faser seines Körpers. Aber er stand nicht auf, und ich ebenfalls nicht. Der Tanz ging zu Ende, und Liadan kam zurück, rosig und lächelnd, und setzte sich wieder neben den Hauptmann. Sie sahen einander nicht an, er hob einfach nur die Hand ein wenig, um nach ihrer Hand zu greifen, als sie sich neben ihn setzte, und sie verschränkten die Finger. Heute Abend achteten sie nicht so sehr darauf, was die Leute sehen würden, denn sie hatten nur wenig Zeit.
»Spielt noch einen Tanz!«, verlangte der flachshaarige Godric, der Brenna aufgefordert hatte. Das zeigte einigen Mut, denn ihr Verlobter Sam würde jede Bewegung beobachten, während seine starken Schmiedearme dem Bodhran den Rhythmus entlockten. Aber die Harfenspielerin war müde, wollte sich ausruhen und ein Bier trinken, und Clem erklärte, es wäre Zeit, dass er jetzt mit Annie tanzte.
»He, Darragh!«, rief Godric, der nicht aufgeben wollte. »Hast du nicht mal gesagt, du könntest Dudelsack spielen? Wie wär's jetzt damit?«
Darragh lächelte träge. »Ich habe den Dudelsack weggepackt«, sagte er.
»Dann geh schon und hol ihn! Nichts ist so gut zum Tanzen wie Dudelsackmusik.«
Da hatte er nicht Unrecht. Ich sah ihnen an, dass sie von Darraghs Musik nicht viel mehr erwarteten als das raue, ungelenke Spiel eines Jungen, der hier und da etwas aufgeschnappt hat, der kopiert, was er einmal hörte, und sich den Rest zusammenrät. Ich hätte ihnen sagen können, dass sie sich irrten, aber dazu bestand keine Notwendigkeit. Schon bald hatte Darragh den Dudelsack unter dem Arm, seine langen, schlanken Finger flogen über die Löcher, und ein Strom von Melodie ergoss sich in die Luft und brachte alle in der Halle zum Schweigen. Alle standen still da, bis Sam schließlich den Rhythmus aufnahm, die älteren Leute begannen mitzuklatschen und der Tanz wieder begann.
Der Hauptmann war nicht der Einzige, der sich mit Erinnerungen voll saugen konnte. Er würde seine bis zum Ende des Feldzugs brauchen. Ich nahm an, meine würden für immer reichen müssen. Ich brauchte Darragh nicht anzuschauen, um zu sehen, was ich nicht haben konnte. Ich konnte die Augen schließen und den Klang des Dudelsacks das Bild für mich zeichnen lassen: ein dunkelhaariger Junge auf einem schönen weißen Pony, und über ihm der helle, weite Himmel von Kerry, die weiche Luft und das Geräusch des Meeres.
»Ist alles in Ordnung, Mädchen?«
Ich blinzelte und blickte auf. Neben mir stand Biddy, immer noch ein wenig kurzatmig vom Tanzen, ihr breites, rundes, liebes Gesicht rosig und umgeben von einem Heiligenschein ihres blonden Haars.
»Du bist kreidebleich geworden; ich hoffe, du kriegst das Fieber nicht auch.«
»Es geht mir gut.« Zumindest war es mir gut
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