Das Kind der Stürme
Frauen ertragen es, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Es ist der Preis der Liebe. Ich nehme an, es ist für dich der erste solche Abschied.«
»So ist es nicht mit ihm und mir«, erklärte ich heftig, denn ihre Freundlichkeit war schwerer zu ertragen als ihre Ablehnung. »Er sollte nicht gehen, das ist alles. Er weiß nicht, was er tut. Männer wie Johnny, Schlange und der Hauptmann sind zumindest Krieger. Es ist ihr Handwerk. Darragh – er ist unschuldig.«
»Ja.« Liadan hob die Hand, um mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Ich sah wahrscheinlich schrecklich aus, mit Ringen unter den Augen und vom Wind zerzaustem Haar. »Eins kann ich dir sagen, Fainne: Unschuldige können mitunter unberührt über ein Schlachtfeld gehen. Es ist genau diese Eigenschaft, die sie schützt. Wir müssen hoffen, dass alle sicher und siegreich zurückkehren. Und nun sollte Coll sich lieber ausruhen. Du selbst musst auch erschöpft sein, und bestimmt hast du Hunger. Biddy und Annie sind früh aufgestanden, und ein gutes Frühstück wartet auf dich. Warum gehst du nicht und genießt dein Essen und ein wenig Gesellschaft, und dann schläfst du eine Weile? Ganz gleich, welche Sorgen du dir machst, du kannst das, was geschehen wird, ohnehin nicht ändern.«
Möwe war fertig mit dem Packen und schnürte die Tasche nun zu. »Bist du je mit ihnen gegangen?«, fragte ich meine Tante. »Sie müssen zu solchen Zeiten einen Heiler dringend brauchen.«
»Ein Schlachtfeld ist kein Ort für eine Frau. Ich würde mitgehen, glaub mir; es ist wie ein Messer ins Herz, sie so lange nicht zu sehen und zu wissen, dass sie in Gefahr sind. Aber Bran lässt es nicht zu. Es ist zu gefährlich. Möwe reist mit ihnen und kümmert sich um ihre Wunden. Inzwischen kümmere ich mich um die Dinge hier.«
»Liadan?«
Sie sah mich an, aber ich konnte die Worte, die Frage, die ich stellen wollte, nicht finden. Sie lächelte, als hätte sie das erkannt.
»Finbar sagt, uns bliebe nichts anderes übrig, als dir zu vertrauen«, erklärte sie. »Und wenn er das tun kann, dann kann ich es wohl auch. Er hat mehr Grund als ich, Angst zu haben. Und jetzt geh. Und keine langen Gesichter. Wir müssen diese Männer mit Lächeln und Selbstvertrauen auf den Weg schicken, nicht mit Tränen. Die Tränen sind für später, wenn wir allein sind.«
Ich aß, aber nicht viel. Mir war elend zu Mute. Ich schlief und hatte so schreckliche Träume, dass ich sie hier nicht berichten möchte. Ich wachte wieder auf, wusch mir das Gesicht, zog andere Kleider an und flocht mein Haar ordentlich zu einem Zopf im Nacken. Dann ging ich nach draußen, setzte mich auf die Klippen oberhalb der Bucht und dachte über Vögel nach. Das Wetter war ruhig. Die Boote lagen vor Anker, bereit, in See zu stechen. Es waren drei große und viele kleinere, einige schwer beladen mit Taschen und Bündeln, einige leer. Sie würden Waffen mitnehmen, nahm ich an. Und Vorräte. Sie würden unterwegs irgendwo ein Lager aufschlagen. Ich hatte keine Ahnung, wo das sein würde, und ich hatte die Land- und Seekarten, die sie benutzen, nie aus der Nähe gesehen. Ich würde fliegen und ihnen direkt folgen müssen, aber statt sie zu finden, könnte es auch sein, dass ich weiter und weiter über diesen Ozean flog, bis meine Flügel nachgaben und ich ins Maul eines Seeungeheuers stürzte. Immer vorausgesetzt, ich starb nicht schon vorher vor Kälte. Ich dachte daran, dass die Männer bei Nacht schwimmen müssten, und schauderte. Der Sommer wäre für so etwas sicher besser geeignet gewesen. Warum hatten sie nicht wenigstens bis Beltaine gewartet? Die Luft war bitterkalt. Das Meer würde eisig sein.
Vögel. Seevögel. Möwe, Seeschwalbe, Albatros. Gut für weite Entfernungen, zäh und kräftig. An Land vielleicht nicht so geeignet. Zu laut, zu wild. Es könnte notwendig sein, dass ich sehr nah ans Lager gelangen musste, es würde vielleicht wichtig sein, unauffällig zu bleiben. Ein Rotkehlchen, ein Spatz. Nein. Zu verwundbar, zu schwach. Nicht mehr als ein schmackhafter Mund voll für einen geflügelten Räuber. Ich könnte vielleicht selbst ein Raubvogel sein, ein Falke, ein Adler. Auch das kam mir irgendwie nicht richtig vor. Was war klein und unscheinbar und hatte nicht zu viel Angst vor Menschen, konnte aber lange Entfernungen zurücklegen? In Kerry hatte ich manchmal diese kleinen grauen Vögel gesehen; sie waren hin und wieder vorbeigekommen, wenn ich bei den Stehenden Steinen saß, und dann waren
Weitere Kostenlose Bücher