Das Kind der Stürme
du in Sicherheit bist. Sicher vor jenen, die dir Schaden zufügen könnten, und sicher vor dir selbst. Meine Liebe verpflichtet mich dazu, Löckchen.« Und bevor ich mich bewegen konnte, bevor ich ihn aufhalten konnte, hob er den Arm und warf das Amulett, warf es hoch in den Wind, und ich sah das Glitzern im schrägen Sonnenlicht, als es erst weit über den Klippenrand und dann nach unten flog, tief, tief nach unten in den hungrigen, tobenden Ozean. Mein Herz stand beinahe still vor Schreck. Eine Stimme sagte immer wieder: »O nein, o nein.« Ich schlug die Hände vors Gesicht und bemerkte trüb, dass es meine eigene Stimme war.
»Löckchen?« Darraghs Stimme war nun sanfter, und der Zorn war verschwunden. Ich fand keine Kraft zu antworten. Wenn das Liebe war, dann hatte ich die ganze Zeit Recht gehabt: Liebe war nur Verwirrung und Schmerz.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte er. »Du hast Recht, ich muss kämpfen. Ich kann nicht dabeistehen und zusehen, nicht, solange ich Johnnys Farben trage.«
»Nein«, begann ich und streckte die Hände vor mir aus wie eine Blinde.
»Still«, sagte Darragh und berührte mein Haar, steckte mir eine Locke hinters Ohr. »Jetzt nicht.« Dann beugte er sich vor, um mich auf die Wange zu küssen, wie es vielleicht ein Junge mit einem Mädchen tut, wenn die beiden zu jung und zu schüchtern sind, um ihre Gefühle in Worte zu fassen. Ich schloss die Augen, aber ich konnte den Klang von Großmutters Stimme nicht ausschließen.
»Mach's gut, Löckchen«, sagte Darragh. »Und pass gut auf dich auf.«
Ich wartete auf den nächsten Teil, aber das Schweigen dauerte an, und als ich die Augen öffnete, war er weg.
Als wäre ich ein Kind bei einem Spiel, zwang ich mich, langsam bis hundert zu zählen. Ich wartete, bis er nicht mehr zu sehen war, bevor ich unsicher weiter über das Sims und die Felsen stolperte. Draußen auf dem Schlachtfeld konnte er sein Glück mit den anderen versuchen. Dort hatte er vielleicht eine Chance, lebendig zu entkommen. Mit mir an seiner Seite war er zum Untergang verurteilt.
Am Himmel standen zornige Wolken, und in der Luft hing aufgepeitschte Gischt. Die wenigen Büsche, die sich an die Felsen klammerten, beugten sich nun nieder; ein Unwetter zog auf – ein Unwetter, dessen Wildheit aus dem Zorn einer Zauberin geboren war. Mir blieb keine Zeit mehr. Was konnte ich tun? Sie war auf dem Weg hierher, und ich hatte keinerlei Waffen für den Kampf, nichts außer meinem eigenen erschöpften Körper und meinem verwirrten Geist; nichts außer meiner mit Makel behafteten Seele und meinem verräterischen Herzen, das sich nun anfühlte, als würde es zerrissen. Ich stand schwankend am Rand der Klippe, und der Wind ließ mein Haar nach vorn flattern wie eine Fahne. Denk nach, Fainne. Konzentriere dich. Die rote Fahne des Sieges. Ich trug meine eigene. Ich hatte keinen Waffenrock mit dem Wappen von Sevenwaters, aber meine eigenen Farben in Gestalt eines Tuchs, das so bunt und schön, so voller Leben und Staunen war wie die Erde selbst. Vielleicht war meine Seele nicht mehr unschuldig und mein Herz in Stücke gerissen, so dass ich nie wieder gut sein konnte, so dass ich nicht aussprechen konnte, was ich empfand, so sehr ich es auch wollte. Aber Darraghs Herz leuchtete hell, es war das ehrlichste und beste in ganz Erin. Solange ich sein Geschenk trug, ein Geschenk der Liebe, konnte ich mich vorwärts bewegen. Und ich hatte Riona, die immer noch in meinem Gürtel steckte, ihr rosa Rock verknittert, ihre dunklen Augen nachdenklich. Riona gehörte zur Familie; sie erinnerte mich daran, wessen Tochter ich war. Also gut. Vergiss die schmerzenden Glieder, den wirren Kopf, die Augen voll ungeweinter Tränen. Vergiss das Hinken und die Müdigkeit und mach weiter. Ich begann zu gehen, folgte dem Klang der Stimmen über den kleinen Hügel vor mir hinweg. Es hatte keinen Sinn mehr, mich verstecken zu wollen. Diese Landschaft war beinahe kahl. Sobald ich die Kuppe des Hügels erreicht hätte, würden sie mich sehen.
»Nicht hier entlang, Dummchen.« Flügel flatterten, und es gab eine leichte Veränderung im Stoff der Dinge. Der Boden riss auf, und es grollte ein wenig. Vor mir befand sich nun ein mittelgroßer Felsen, der zuvor nicht dagewesen war, und daneben saß ein eulenhaftes Geschöpf mit einer stumpfen Nase und leuchtend roten Stiefeln.
»Geh nicht einfach dort hinaus«, mahnte das Eulengeschöpf. »Mut ist etwas Gutes, aber du musst auch schlau sein.«
»Was kann ich denn
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