Das Kind der Stürme
erinnern. »Vielleicht auch nicht.« Und dann war sie weg, in einem Flattern roter Röcke und blitzender Ohrringe, bevor ich mich auch nur bedanken konnte.
Selbstverständlich hatte sie sich geirrt. Darragh und ich waren alte Freunde, das war alles. Und Darragh nahm an, ich würde eine Last sein und Ärger machen, wenn er nicht Wachhund spielte. Alles andere wäre viel zu kompliziert, als dass ich auch nur daran denken wollte. Ich band das kleine Kopftuch mit dem blauen Rand über mein frisch geflochtenes Haar und ging nach draußen, wo er ohne ein Zeichen von Ungeduld wartete, während Aoife ruhig weidete. Es schien, als hätten Dan und die Mädchen und die anderen Jungen sich schon auf den Weg gemacht. Peg und Molly organisierten, dass die größeren Kinder die kleineren trugen, und banden ein paar Körbe und Kleinkinder auf alten Pferden fest.
Darragh sah mich seltsam an, beinahe, als müsste er gleich lachen.
»Wie ein Mädchen vom fahrenden Volk«, stellte er fest. »Es braucht nur noch eine Kleinigkeit, und du wirst keinem auffallen. Hier.« Er griff unter seine Jacke und holte ein Bündel aus seidenweichem Stoff heraus, der ordentlich gefaltet war. Als ich das Bündel in die Hand nahm, entfaltete sich der Stoff, und ich sah ein hinreißendes Tuch mit vielen Farben in einem dichten Muster von winzigen Geschöpfen, zart und edelsteinartig, blaugrüne Eidechsen, lebhafte blaue Vögel, goldene Schmetterlinge und exotische Regenbogenfische mit gewellten Flossen. Das Tuch hatte lange, schimmernde Fransen in einer Farbe zwischen Gold und Silber. Es war das schönste Kleidungsstück, das ich je gesehen hatte.
»Das kann ich nicht annehmen«, sagte ich und starrte es an. Es war ein Tuch für eine Prinzessin.
»Nein?«, sagte Darragh, nahm es mir aus der Hand und legte es mir um den Hals. Dann band er die Enden vorn zusammen. »Komm schon«, sagte er. »Ich habe versprochen, dass ich nicht zu spät kommen werde. Du hast doch keine Angst, auf einem Pony zu reiten, oder?«
»Selbstverständlich nicht«, entgegnete ich. »Also los.«
Mit seiner Hilfe war es nicht zu schwierig, auf Aoifes Rücken zu klettern. Ich dachte, ich würde mich hinter ihm anklammern müssen, wie seine Schwester gesagt hatte, aber er setze mich vor sich, mit beiden Beinen auf einer Seite wie eine Dame, und hielt mich mit einem Arm fest, während er mit dem anderen die Zügel hielt. Es kam mir allerdings so vor, als wüsste Aoife ohnehin, was er wollte, ohne dass er es ihr mitteilen musste. Wenn wir zu einer Weggabelung kamen, sagte Darragh nur ein leises Wort, und sie ging in eine Richtung oder die andere. Er berührte sie mit dem Knie oder legte ihr eine braune Hand auf den schimmernden weißen Hals, und sie verstand sofort, was er wollte.
»Alles in Ordnung?«, fragte er mich ein- oder zweimal, und ich nickte. Tatsächlich war es besser als in Ordnung. Es fühlte sich an wie in alten Zeiten, wie in den Tagen stiller Freundschaft, die wir als Kinder geteilt hatten. Diese Zeiten waren nun vorüber, das wusste ich. Aber solange, wie dieser Ritt dauerte, konnte ich vielleicht so tun, als hätte sich nichts geändert. Ich konnte die Berührung des wunderschönen Tuchs mit seinem bunten Muster des Lebens spüren, das mich umschlang wie ein Schutzzauber, und ich konnte beinahe glauben, dass ich zum fahrenden Volk gehörte und stolz zum Markt ritt, und hinter mir, mit seinem Arm um meine Taille, ein feiner Bursche, der der beste Dudelsackspieler in ganz Kerry war. Hier saß ich auf dem weißesten und klügsten Pony, den Wind im Gesicht und die seltsamen, kargen Umrisse der entfernten Hügel auf einer, das Wasser des Meeresarms auf der anderen Seite, gesäumt von einem felsigen Strand, an dem hier und da ein paar Boote an Land gezogen waren. Es waren nicht allzu viele Menschen unterwegs, nicht um diese Zeit. Vielleicht waren wir wirklich schon spät dran. Darragh schien das nicht zu stören, und Aoife trabte dahin, als wäre sie ohnehin das einzig Wichtige auf dieser Straße. Wir waren an Peg und Molly und den Kindern vorbeigeritten, und Darraghs Schwester hatte mir zugezwinkert.
Nach einer Weile fragte ich: »Wie heißt deine Schwester?«
»Welche?«
»Die mit dem roten Rock und der dreisten Art. Die Nächstjüngere von dir aus, denke ich.«
Einen Moment lang antwortete er nicht. »Warum fragst du sie nicht selbst?«, sagte er schließlich.
Ich antwortete nicht.
»Sie beißen nicht, Fainne«, sagte er, aber es lag kein Tadel in seinem Ton.
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