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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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mit ihm umgesprungen. Und dann war sie plötzlich verschwunden. Aber der Mann hatte Angst gehabt, das hatte man genau sehen können. Sein Gesicht hatte die Farbe von frischem Käse gehabt, und sein Hals war ganz rot gewesen.
    Die Körbe waren schnell verkauft, und Peg war sehr erfreut darüber. Sie hatte noch mehr im Lager, sagte sie, und andere Dinge wie Halstücher und Kleinigkeiten, wir würden sie am nächsten Tag mitnehmen. Nun hatten wir den Nachmittag frei. Peg mahnte uns streng, keinen Unfug zu machen. Keine von uns durfte allein losziehen, und wir sollten zurück sein, bevor die Sonne die Eichen berührte, denn der Rückweg ins Lager war noch lang, und sie wollte nicht, dass die kleineren Kinder übermüdet würden. Sie und Molly würden einpacken und ein paar Becher Apfelwein trinken und mit ihren alten Freundinnen schwatzen.
    Wieder schien ich keine Wahl zu haben. Roisin stand neben mir, und zusammen mit zwei anderen Mädchen führte sie mich in das Gedränge, begierig, jetzt ein bisschen Spaß zu haben. Panik überfiel mich. Es gab so viele Menschen hier auf so engem Raum, und es waren alles Fremde. Schreckliche Männer wie dieser Ross, Männer, die Hände ausstreckten, um zu zwicken und zu tätscheln. Männer, die Dinge sagten wie: »Wie wär's denn, mein Schatz?«, und dann lachten, als hätten sie den geistreichsten Witz gemacht. Frauen, die ihre Kinder anschrien, Budenbesitzer, die ihre Waren mit Stimmen anpriesen, die wie schmetternde Hörner klangen. Ich konnte mich nicht wegstehlen, denn ich hätte nicht gewusst wohin. Ich hatte auch nicht die Möglichkeit, einen Transportzauber zu wirken. Vater hatte sich geweigert, mir das beizubringen, und erklärt, dafür sei ich noch nicht bereit. Ich spielte mit dem Gedanken, sie alle in Käfer oder Spinnen zu verwandeln. Dann hätte das kleine Geschöpf in meiner Tasche wenigstens etwas zu fressen gehabt. Aber ich wollte keinen Streit mit Roisin oder Peg oder Molly. Oder mit Darragh. Nein, ich würde etwas anderes tun müssen. Benutze den Verwandlungszauber, Fainne. Es hatte zuvor schon funktioniert und mir genug Selbstvertrauen gegeben, um so lange, wie ich es brauchte, zurechtzukommen. Und niemand hatte etwas bemerkt. Es würde nicht auffallen.
    Ich tat es nach und nach, während wir uns durch die Menge drängten. Es war keine sonderlich große Veränderung. Das Haar wurde von dicht gelocktem Rötlichbraun zu glatterem Rotgold, der Farbe feinen Kleehonigs. Die Augen wurden heller, größer, die Wimpern lang und dunkel. Die Brauen bogen sich zart, die Lippen waren voll und rot. Die Figur war nicht sonderlich anders, nur eine kleine Rundung hier und eine kleine Rundung da, und eine Veränderung in der Haltung der Schultern. Und schließlich die Füße. Gerade, schöne, vollkommene Füße in sauberen Stiefeln. Füße, mit denen man tanzen konnte.
    Wir holten uns geröstete Nüsse bei einem dunkelhäutigen Burschen mit einem kleinen Kohlenbecken. Gezahlt wurde mit einem Kuss – und es war nicht ich, die den Preis entrichtete, selbst der Zauber hatte mich nicht so mutig werden lassen. Es war Roisin, die dem Mann grinsend einen Schmatz auf eine und dann die andere Wange versetzte. Dann tranken wir Apfelwein, denn der kostete nichts für Leute, die ihre Waren auf dem Markt feilboten, und schließlich wurden wir vom Klang einer Flöte, eines Bodhran und kunstvoll bedienter Löffel angelockt und fanden uns in einem großen Kreis von Menschen wieder, die auf der Wiese tanzten. Die Männer kehrten langsam vom Pferdehandel zurück, und Roisin und die anderen hielten nach bestimmten Jungen Ausschau, die ihnen gefielen.
    Niemand bemerkte, dass ich anders aussah. Immerhin hatte ich mich nicht in eine Bauersfrau oder eine alte Vettel oder einen Wasserdrachen verwandelt, ich hatte mich nur unmerklich ein bisschen verbessert. Wie Vater schon gesagt hatte, man veränderte sich mit diesem Zauber nicht selbst, eigentlich veränderte man die Wahrnehmung der anderen. An diesem Nachmittag hatte ich also keine Verkleidung angenommen. Ich wollte nicht verschwinden, denn dann würden Roisin und die anderen nach mir suchen. Ich wollte einfach nur dazupassen, wollte mitmachen und diese schreckliche Angst loswerden, die mich immer befiel, wenn ich ich selbst und fehl am Platz war. Außerdem, so sagte ich mir, war das eine gute Übung für Sevenwaters.
    Roisin hatte einen Schatz. Er tauchte am Rand der Menge auf, und ich sah, wie er sie beobachtete und sich dann zu uns durchdrängte,

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