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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ehre dich.«
    Und dann sahen sie mich an, und die Worte brachen ganz unvorbereitet aus mir heraus.
    »Niamh«, flüsterte ich. »Du hast zu Imbolc getanzt und hell gestrahlt. Du bist meine Mutter und eine Tochter von Sevenwaters. Wir halten dich in Ehren wie alle Verstorbenen.«
    »Söhne dieses Haushalts, meine Brüder, die nur eine kurze Zeit in dieser Welt verweilten«, fügte Muirrin hinzu und griff nach der Hand ihrer Mutter. »Liam und Seamus, kostbar wie helle Sterne am Firmament, schön wie Tauperlen auf dem Weißdorn. Ihr lebt als helle Flammen in unserem Geist und unseren Herzen. Heute sind wir euch nah und können euch berühren, ihr Lieben.«
    »Durch die Schatten spüren wir eure Gegenwart neben uns«, sagte Conor und hob die Hände, »denn heute Nacht gibt es keine Grenze zwischen uns. Teilt das Festmahl mit uns, seid willkommen und wandelt unter uns.«
    Er machte mit dem Ritual weiter. Nacheinander teilten die Anwesenden das Salz, das Brot und den Honigwein, und die Portionen der Geister wurden in die Flammen gestreut. Ich bewegte mich durch diesen Kreis und spielte meine Rolle, wie es Druiden taten. Mir wurde klar, dass die schrecklichen Verluste, die diese Familie hatte ertragen müssen, meine eigenen waren. Ich wusste, dass die Toten immer noch dort waren, bei uns. Ihr Erbe lag in den Taten und Entscheidungen jener, die lebten. Schaute meine Mutter nun durch den Schleier zwischen dieser Welt und der anderen und lächelte über das, was sie sah? Welchen Weg hätte sie für mich gewählt?
    Der Kreis wurde aufgelöst, das Ritual war vollendet.
    »Kommt«, sagte Conor. »Die Leute aus dem Haushalt erwarten uns. Lasst uns zusammen essen und uns auf die Zeit der Schatten vorbereiten.«
    Wir gingen zur großen Halle, wo die Menschen des Haushalts und des Dorfs versammelt waren. Es war eine große Versammlung. Zu denen, die üblicherweise in Sevenwaters lebten, hatte sich eine größere Menge von Kriegern und anderen gesellt, die bei den Vorbereitungen auf den Krieg eine Rolle spielten. Schmiede, Waffenmeister, Männer, die sich mit Pferden auskannten, und jene, die Meister darin waren, Vorräte und die Verpflegung größerer Menschenmassen so schnell und so lautlos wie möglich zu organisieren. Auch die alte Frau war da, Dan Walkers Tante. Ich sah, wie sie mich mit ihren dunklen, durchdringenden Augen anstarrte.
    Bänke wurden aufgestellt und einige leer gelassen für die Besucher aus der Anderwelt, die sich uns vielleicht zugesellen wollten. Die Türen standen offen, denn heute Nacht würde keinem der Eintritt verwehrt werden. Die Herdfeuer waren kalt. Draußen auf dem Hof zwischen der Festung und den Ställen brannte ein großes Feuer und sprühte seine Funken hoch in die Luft. Der Mond war voll, und Wolken bewegten sich über seine bleiche, schimmernde Oberfläche.
    »Morrigan beobachtet uns von hinter ihrem Schleier her«, sagte Conor. »Komm mit mir, Fainne. Lass uns diese Feuer wieder entzünden und unseren Fuß ins neue Jahr setzen.«
    Er hatte das Feuer auf dem Hof schon viel früher angezündet, nur mit Hilfe seiner Hände und einer Beschwörung. Andere hatten es mit irdischeren Mitteln am Brennen gehalten, mit einem regelmäßigen Nachschub von gut getrockneten Eschenscheiten. Nun griff Conor nach einer Fackel und stieß sie in die Flammen, bis sie aufflackerte und golden in der Nacht leuchtete.
    »Dies ist das Feuer des neuen Jahres.« Seine Stimme war kräftig und klar, und in seinem Blick stand Hoffnung. »Dies ist das Jahr der Abrechnung. Wir messen die Tage der Dunkelheit, und wir zählen. Wir bereiten uns auf die Zeit von Sonnenlicht und Freude vor und auf den Tag des Sieges. Ich schwöre dem Volk des Waldes zu beiden Seiten des Schleiers, dass die Inseln noch vor dem nächsten Samhain uns gehören werden. Das Kind der Prophezeiung wird uns führen, und wir werden unsere heilige Aufgabe erfüllen, das spüre ich.«
    Dann gab er mir die Fackel.
    »Du weißt, was du tun musst?«, fragte er mich leise.
    Ich nickte. Ich hatte ein seltsames Gefühl, als hätte ich das schon einmal getan, als wiederholte sich eine Szene aus der Vergangenheit, aber mit geringfügigen Veränderungen. Meine Füße bewegten sich beinahe wie von selbst. Ich trug die brennende Fackel in die große Halle, und vor allen Versammelten streckte ich den Arm aus und nährte mit dem Feuer die Scheite, die in der massiven Feuerstelle bereitlagen. Sie begannen bald, hell zu brennen. Dann ging ich durch das ganze Haus, wobei ich

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