Das Kind der Stürme
Selbstverständlich ist er ein Vetter, aber –«
»Ist es Johnnys Vater, gegen den Tante Aisling etwas hat?«
»Man kann nicht sagen, dass sie etwas gegen ihn hat. Meine Mutter hält sich an die Entscheidungen meines Vaters. Es ist nur, dass – das Verhältnis zwischen meinem Onkel Eamonn und dem Hauptmann ist sehr schlecht. Niemand spricht je aus, um was es da geht. Ich denke, Mutter glaubt, dass ihr Bruder Johnny nie als künftigen Herrn dieses Landes akzeptieren wird. Und das wiederum bewirkt, dass sie sich Sorgen um die Zukunft macht. Der Hauptmann ist nie hier gewesen, nicht seit er und Tante Liadan weggegangen sind. Wenn er mit Vater sprechen muss, treffen sie sich woanders, jedes Mal an einem anderen Ort. Ich bin ihm selbst nur ein einziges Mal begegnet. Und Onkel Eamonn tut sein Bestes, sich fern zu halten, wenn Tante Liadan hier ist. Es ist, als könnten sie nur Frieden halten, wenn sie sich nie wirklich gegenüberstehen.«
»Wie seltsam. Und wie lange geht das schon so?«
»Seit Johnny ein Kind war. Also beinahe achtzehn Jahre.«
»Ich verstehe«, sagte ich, obwohl ich im Grunde gar nichts verstand. Es gab hier tatsächlich Geheimnisse, interessante Geheimnisse. »Es tut mir Leid, Muirrin. Besonders wegen deiner kleinen Brüder.« Das war die reine Wahrheit. Ich hatte den Ausdruck der Verzweiflung in Tante Aislings kleinem, sommersprossigem Gesicht gesehen, als ihre Namen ausgesprochen wurden.
»Danke, Fainne. Das ist wirklich nett von dir. Ich bin so froh, dass du hergekommen bist. Schwestern sind schön und gut, aber es ist wunderbar, eine Freundin zu haben, mit der ich sprechen kann. Mutter wird sich schon mit der Zeit mit Vaters Plänen für Sevenwaters abfinden. Und ohnehin muss als nächstes der Kampf gewonnen werden. Dann arbeiten wir für die Zukunft.« Ihr Gesicht strahlte vor Hoffnung und Entschlossenheit.
»Bitte entschuldige mich jetzt«, sagte ich, »ich bin ziemlich müde. Glaubst du, Onkel Sean hätte etwas dagegen, wenn ich jetzt ins Bett ginge?«
»O Fainne, du armes Ding! Es tut mir Leid, ich habe vergessen, dass du so schwer daran gearbeitet hast, Conor zu helfen, und die Fackel durchs ganze Haus getragen hast – geh schon, verschwinde. Ich werde es den anderen erklären.«
Ich floh in mein Zimmer, verriegelte die Tür, legte den Veränderungszauber ab und tauschte mein gutes Kleid gegen ein einfaches altes Nachthemd. Ich nahm Riona vom Fensterbrett und setzte mich vor das Feuer, die Puppe neben mir. Mit den Fingerspitzen berührte ich die gehämmerte Oberfläche des Amuletts an meinem Hals, fuhr über die winzigen Inschriften. Obwohl das kleine Feuer hell brannte, war es kalt im Zimmer, kälter als der morgendliche Frost, kälter als die Berührung der Gischt mitten im Winter, aber immer noch nicht so kalt wie das Eis, das meinen Geist umfangen hatte und nicht tauen wollte. Es war der starre Griff der Unsicherheit. Ich packte den Schürhaken und wollte das Feuer weiter anfachen. Ich berührte die Kohlen mit dem Eisen, und sofort loderte eine große Flammenwand auf, tauchte das ganze Zimmer in ein lebhaftes Orangerot und füllte meine Nase und den Mund mit durchdringendem, erstickendem Rauch. Selbst die Luft schien Flammen zu sprühen und um mich herum zu zischen, und mein Herz klopfte laut vor Angst. Dann brannten die Flammen wieder nieder, das Feuer glühte purpurfarben, dunkel wie Maulbeeren, und in der Tiefe dieses Glühens konnte ich das faltige Gesicht meiner Großmutter sehen, gekrönt von Flammen. Ihre durchdringenden Augen starrten mich an, und im Knistern des brennenden Holzes hörte ich ihre spöttische Stimme.
Du solltest dich schämen, Fainne. Hast du denn das Leiden deines Vaters vergessen? Hast du deine Disziplin so schnell verloren, dass du jetzt vorhast, Druide zu werden, und darüber dein Ziel vergisst?
Ich konnte kein Wort herausbringen. Mein Herz raste, meine Haut war schweißnass. Ich hatte gewusst, dass sie auftauchen würde, ich hatte gewusst, dass sie früher oder später kommen würde, aber nicht jetzt. Nicht so. »Ich – ich –«, stotterte ich und versuchte verzweifelt, so etwas wie Beherrschung wieder zu finden. »Ich habe es nicht vergessen, das schwöre ich, ich habe nicht –«
O Fainne! So schwach! So leicht hinters Licht zu führen! Warum hast du den Druiden aus der Flut gerettet? Warum hast du die Nemesis deines Vaters nicht dort im Dunkeln ertrinken lassen? O ja, ich habe zugesehen. Deine Willenskraft ist nicht so stark, wie du
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