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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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darauf achtete, nicht in die Nähe der Wandbehänge zu kommen, bis ich jedes einzelne Feuer entzündet hatte, selbst das kleine in meinem Zimmer. Aus dem Augenwinkel glaubte ich ein kleines Lächeln auf Rionas gesticktem Mund zu bemerken, aber als ich genauer hinsah, schaute sie so ernst aus dem Fenster wie stets.
    Nachdem ich meine Pflicht getan hatte, kehrte ich in die Halle zurück. Heute fürchtete ich die Menschenmenge, das Gerede und die Helligkeit dort nicht. Es gab Wein und Haferbrot und kalten Braten und ein wenig von dem feinen weichen Käse, den sie aus Schafsmilch herstellen. Nur ein wenig, denn es würde von jetzt bis zum Frühling keine frische Milch mehr geben, und der größte Teil unserer Butter und der Käsevorräte lagerte schon in einer Höhle. Die letzten überzähligen Tiere waren geschlachtet, die letzten Ernten eingebracht worden. Zuchttiere, die besten aus den Herden, befanden sich in den Scheunen oder den ummauerten Feldern dicht beim Dorf. Das wenige Korn, das noch auf den Feldern lag, würde man wohl den Geistern lassen. Es war Zeit, das Licht der Sonne gegen die Wärme des Erdfeuers, die Arbeit auf Hof und Feld, im Wald und auf dem Schlachtfeld gegen die kleinere Sphäre von Haushalt und Familie auszutauschen und zu planen, was im kommenden Jahr geschehen sollte.
    Es war nicht unbedingt eine Feier. Die Menschen unterhielten sich leise. Selbst die kleinen Mädchen waren ein wenig gedämpfter als üblich. Ihre Schlafenszeit war lang vorbei, und Eilis saß auf Aislings Knie und hatte den Daumen in den Mund gesteckt wie ein Baby. Maeve, die mir bei meinem Gang durchs Haus Schritt für Schritt bewundernd gefolgt war, setzte sich nun neben die Feuerstelle und lehnte sich schläfrig neben ihren großen Hund. Sibeal saß neben der alten Frau, Janis, die ihr offenbar eine Geschichte erzählte. Die anderen Mädchen waren geschäftig dabei, Becher nachzufüllen und noch mehr Essen aufzutragen.
    »Das hast du sehr gut gemacht, Fainne.« Das war Muirrin, die mit einer Weinflasche zu mir gekommen war, um meinen Becher aufzufüllen. »Beinahe, als hättest du die Berufung dazu, dachte ich. Es ist eine große Ehre, bei dieser Zeremonie zu helfen. Und es ist eine noch größere Ehre, die Feuer zu entzünden. Ich habe noch nie erlebt, dass Conor das jemanden machen ließ, der kein Druide war.«
    »Tatsächlich?«, sagte ich und trank einen Schluck Wein.
    »Er hat eine sehr hohe Meinung von dir, Fainne. Das solltest du nicht leichtfertig abtun. Von ihnen allen, von allen Schwanenbrüdern, ist Conor der Einzige, der hier im Wald geblieben ist. Er hält die Erinnerungen an die alten Zeiten lebendig. Er lässt uns nicht vergessen, wer wir sind und was wir tun müssen. Und dabei sieht er auch für dich eine Rolle, das bezweifle ich nicht.«
    »Mag sein«, sagte ich. »Muirrin, du hast mir doch erzählt, dass deine Eltern Töchter hätten und Tante Liadan hätte Söhne. Aber –«
    Sie lächelte dünn. »Mutter hatte Zwillinge. Zwischen Maeve und Sibeal. Sie lebten nicht einmal einen Tag lang. Ich war etwa sieben, als sie zur Welt kamen. Ich habe sie eine Weile im Arm gehalten. Sie hatten so winzige Hände.«
    »Das tut mir Leid. Ich hätte dich nicht darauf ansprechen sollen. Du sagtest, dein Vater wäre damit zufrieden, dass Johnny erbt. Aber ich wusste nicht, dass er Söhne gehabt und sie verloren hatte.«
    »Sie haben schrecklich getrauert. Vater hat sich damit abgefunden. Er ist sehr stark. Er liebt und achtet Johnny. Bei Mutter ist das ein wenig anders.«
    Sie zögerte.
    »Also ist sie nicht froh darüber, dass ein Neffe erben soll?«, fragte ich.
    »Das würde sie niemals sagen. Sie ist eine gute Frau und meinem Vater vollkommen ergeben, ebenso wie dem nahtlosen Funktionieren dieses Haushalts. Sie würde es nie offen aussprechen, aber sie glaubt versagt zu haben, weil sie ihm keinen gesunden Sohn schenken konnte. Und das führt zu einer – einer gewissen Zurückhaltung, so würde ich es bezeichnen. Sie mag Johnny. Man kann einfach nicht anders, als ihn zu mögen. Er wird für Sevenwaters ein idealer Herr sein. Aber sie hat auch ihre Zweifel.«
    »Zweifel?«, fragte ich, und wir setzten uns zusammen auf eine Bank in einer Ecke. »Warum sollte sie Zweifel haben, wenn dieser Johnny so perfekt ist, wie alle behaupten?«
    Sie grinste. »Er ist perfekt. Ich bin sicher, du wirst der gleichen Ansicht sein, wenn du ihn erst kennen gelernt hast. Mutters Empfindungen haben mehr mit Johnnys Eltern zu tun.

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