Das Kind der Stürme
genügte nicht, ich wusste, dass es nicht genügte. Das gequälte Husten meines Vaters hallte in meinem Kopf wider.
Das ist nicht gut genug, Fainne. Genauer gesagt ist es erbärmlich. Erinnerst du dich an diesen Kabeljau? Das ist dir nicht schwer gefallen. Die nächste Stufe wird die wirkliche Herausforderung darstellen. Du warst dumm genug zuzulassen, dass diese Leute einen Weg in dein Herz finden. Du solltest lieber schnell handeln, bevor du vergessen hast, wie das geht, bevor du deine Willenskraft vollkommen verlierst. Du wirst einfach eine von ihnen werden. Vielleicht gefällt es dir ja, deinen Vater leiden zu sehen.
»Hör auf! Und es war alles andere als einfach! Ich sehe diesen Fisch immer noch im Geist, jede Nacht bevor ich einschlafe. Es war falsch. Es war Missbrauch alles dessen, was ich gelernt habe.«
Sie ist ersetzbar, Fainne. Das sind sie alle. Wo bleibt dein Rückgrat, Mädchen? Und jetzt zeig es mir. Zeig mir, dass du es noch in dir hast. Zeig mir, dass diese Leute dir gleich sind. Sie sind diejenigen, die deine Mutter aus ihrem Heim vertrieben haben, in die Arme eines Mannes, der so grausam war, dass sie sich nie wieder davon erholt hat. Sie sind diejenigen, die deinem Vater Hoffnung gaben, nur, um sie ihm wieder zu entreißen. Du bist ihnen gleich, vollkommen gleich. Für sie zählen nur ihr kostbarer Wald und der Wunsch des Feenvolks. Deine Mutter ist gestorben. Sie hat sich umgebracht, wofür diese Leute hier verantwortlich sind. Hast du das vergessen? Wirst du stattdessen so von ihrem seltsamen Verständnis der Welt angezogen, dass du eine so genannte Prophezeiung für so bedeutend hältst und für dich das wirre Geschwätz eines Barden wichtiger ist als das Leben einer Frau? Löse dich davon, Fainne. Wo ist dein Zorn? Zeig mir deine Kraft!
Nun spürte ich, wie sie in mir aufstieg, all meine Macht, die das Handwerk mir gab, wie sie in jeden Teil meines Körpers eindrang. Ich konnte tun, was sie wollte, ich wusste es; ich brauchte nur anzuwenden, was Vater selbst mir beigebracht hatte. Und dennoch hatte er gesagt … »Manchmal«, flüsterte ich, »zeigt es größere Willenskraft, nicht zu handeln …«
Was ist das? Schon wieder so ein Druidenunsinn? Sei doch du selbst! Erkenne dein Erbe an. Zeig, dass du es immer noch kannst. Wie lange ist es her, seit du das Handwerk wirklich angewendet hast? Zeig es mir, Fainne. Vielleicht ein klein wenig Feuer, nur ein kleines. Aber heiß. Jag ihnen einen Schrecken ein, beunruhige sie. Du kannst es nicht, wie? Du hast den Zorn verloren. Du hast die Willenskraft verloren. Das ist also die Liebe, die du angeblich zu deinem Vater empfindest! Sie bedeutet überhaupt nichts.
»Ich kann es! Schon in diesem Augenblick spüren meine Finger die Flammen in mir! Aber – es wäre so sinnlos – es wäre nur ein Trick –«
Du fragst mich nach Sinn? Ausgerechnet in dieser Nacht? Hat deine Mutter nicht darauf gewartet, dass du kommst, Jahr um Jahr zwischen den Welten, so dass sie dich in der Samhainnacht durch den Schleier sehen kann? So dass sie zusehen kann, wie du endlich ihrem Bruder und ihrem Onkel und all diesen Leuten zeigst, dass sie nicht einfach weiter einen Weg beschreiten können, der vom Blut der Unschuldigen nur so trieft? Heute Nacht sieht dich deine Mutter, Fainne. Tu es für sie. Sie haben ihr ihre Macht genommen; sie haben sie in Finsternis und Verzweiflung gezwungen. Gib ihr ihr Leben zurück. Zeig ihr, was ihre Tochter tun kann.
Meine Macht war nun gewaltig, eine Flamme, die mich vorwärts zu treiben schien, aber aus irgendeinem Grund kämpfte ich immer noch dagegen an. Das hier waren die Verwandten meiner Mutter, was immer sie auch getan haben mochten. »Ich – ich bin nicht sicher –«
Wenn du nicht einmal genug Entschlossenheit dazu aufbringen kannst, bist du wirklich eine jämmerliche Schülerin. Du solltest nicht zögern, nicht einmal einen einzigen Augenblick lang. Ciarán hat seinen Schatz verloren, Fainne, seine Liebste und seine Hoffnung. Er hat alles verloren, was er einmal war. Und nun hast du ihn verleugnet, gibst dich hier in Sevenwaters als vaterlos aus. Du weißt, dass ich ihn leiden lasse, wenn du meinen Befehl nicht befolgst. Und nun tu es endlich. Zeig deinem Vater, dass du ihn nicht vergessen hast. Finde den Zorn in dir. Lass das Feuer brennen.
Einen Augenblick lang schloss ich die Augen, nicht im Stande, der Kraft ihres Blicks weiter standzuhalten. Und als ich sie wieder öffnete, war das Feuer bis auf ein paar
Weitere Kostenlose Bücher