Das Kind der Stürme
glühende Kohlen niedergebrannt und sie war verschwunden.
»Vater«, flüsterte ich. »Vater, halte durch, wo immer du sein magst. Sei stark.«
Ich griff nach Riona und steckte sie in die Truhe, ganz tief nach unten, noch unter das Tuch. Ganz tief nach unten, wo sie nichts sehen konnte. Ich schloss den Deckel. Dann ging ich hinunter zum Fenster. Es war sehr spät. Ich hatte lange Zeit vor dem Feuer gesessen. Es schien niemand mehr wach zu sein, aber selbstverständlich würde es Wachposten geben. Die Familie, die Druiden, die Menschen des Haushalts und des Dorfs lagen inzwischen allerdings sicher im Bett. Es war still. Ich blies die Kerze aus und schloss die Augen. Ich atmete tief und beschwor meine innere Sicht herauf, langsam und tief, und intensivierte sie nach und nach, wie die Flut des Meeres selbst. Vor meinem geistigen Auge sah ich das Feuer, das Conor im Hof entzündet hatte und das immer noch brannte. Ich sah es klar und deutlich. Nah dem Feuer waren Wachposten, und nun kamen sie noch etwas näher heran, um sich zu wärmen. Es war eine klare Nacht und kalt genug, dass ein Mann auch noch durch einen Mantel aus Schaffell, einen Wollumhang und alles andere fror. Ich dachte an dieses Feuer, sah es so deutlich, als wäre es direkt vor mir. Große Holzscheite lagen in seinem Herzen, glühten golden und orangefarben und zerfielen langsam zu dunkler Asche. Funken stiegen auf, tanzten in der Luft wie Glühwürmchen. Ein Funke oder zwei. Rauch wand sich nach oben. Am Morgen würde nichts mehr übrig sein. Ich konnte ein Feuer machen. Ich musste dazu nur mit dem Finger zeigen. Aber das hier würde etwas anderes sein. Ein Unfall. Es würde nichts mit mir zu tun haben. Hatte ich denn nicht in meinem Zimmer auf der anderen Seite der Festung längst geschlafen? Von meinem Fenster aus konnte ich den Hof, in dem das Feuer so bedauerlicherweise außer Kontrolle geraten war, nicht einmal sehen. Die Augen fest geschlossen, behielt ich das Bild des Feuers fest im Kopf. Die Veränderung ging schnell vonstatten. Es musste schnell gehen, bevor die Wachposten mit Stöcken und Decken heraneilen und die Flammen ausschlagen konnten. Ein plötzliches Aufflackern. Flammen leckten über den Boden und fraßen alles, was brennbar war. Männer riefen, eilten auf den Hof hinaus. Die Flammen hatten eine wunderschöne Farbe, Rotgold wie die Herbstsonne auf dunklem Kleehonig. Siehst du, Großmutter? Siehst du, was ich tun kann? Die Flammen hatten jetzt die Bretter eines Schuppens erfasst und reckten sich hungrig zum Himmel auf. Und sie sangen. Sie schrien. Sie brüllten. Und es gab auch andere Geräusche, jetzt nicht nur in meinem Kopf, sondern nur zu wirklich draußen in der Nacht. Menschen, die schrien, Eimer, die klapperten, und dann hörte ich die Stimme von Onkel Sean, der Anweisungen gab. Pferde wieherten. Es gab ein Krachen, als etwas Großes umfiel oder aus dem Weg gezerrt wurde. Plötzlich erklang ein schrecklicher Schmerzensschrei, ein Mann schrie wieder und wieder. Ich wollte das nicht hören. Ich steckte die Finger in die Ohren, aber das half nicht. Es gab noch mehr Geräusche, als ob etwas zerschlagen würde, dann erklang Hufschlag auf den Steinen des Wegs. Ich öffnete die Augen und konnte nun aus meinem eigenen Fenster sehen, wie Männer verängstigte Pferde hinaus auf die Felder führten, wo sie in Sicherheit sein würden, und dann wieder in das Durcheinander zurückeilten. Das Glühen des Feuers ließ ihre Schatten lang und dunkel auf die Grünfläche zwischen der Festung und dem Wald fallen. Ich stand sehr reglos da. Es war nicht notwendig, den Zauber zurückzunehmen. Sie würden das Feuer löschen. Die Tiere waren gerettet. Darüber war ich froh. Der Haushalt würde in Unruhe geraten. Ein solches Ereignis in einer Samhainnacht könnte vermuten lassen, dass die Hoffnung des Erzdruiden auf das kommende Jahr auf unsicherem Boden gewachsen war. Die Saat der Unsicherheit war gesät. Das hatte tatsächlich sehr gut funktioniert. Warum zitterten meine Hände dann wie Birkenblätter in einem Herbststurm? Ich berührte das kleine Amulett um meinen Hals, um mich zu beruhigen.
Jemand hämmerte an meine Tür.
»Fainne! Bist du wach?«
Das war Muirrin. Ich musste ihr die Tür öffnen und sie hereinlassen.
»Was ist denn? Was ist da los?« Ich gab mir Mühe, halb verschlafen und verwirrt zu klingen.
»O Fainne! Hast du denn den Krach nicht gehört? Es hat ein schreckliches Feuer gegeben! Einer der Druiden ist tot, und andere sind
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